Der bleiche König: Roman (German Edition)
können.
Anmerkung
Hinzu kommt die autobiografische Tatsache, dass ich damals wie so viele andere unzufriedene junge Spacken davon träumte, ein »Künstler« zu werden, also jemand, der als Erwachsener etwas Originelles und Kreatives tun und keinem öden Drohnenjob nachgehen würde. Mein Traum war, dermaleinst ein unsterblicher Großschriftsteller à la Gaddis, Anderson, Balzac oder Perec zu werden; und viele Notizbucheinträge, auf denen diese Autobiografie beruht, sind ihrerseits aufgepeppt und fragmentiert; so war ich damals einfach drauf. Sie könnten gewissermaßen sagen, dass meine literarischen Ambitionen der Hauptgrund waren, warum ich mit der Uni aussetzte und im RPZ Mittlerer Westen jobbte, obwohl uns diese ganze Vorgeschichte hier nur peripher tangiert und auch nur kurz hier im Vorwort angesprochen wird, und zwar:
Um es kurz zu machen, bezogen sich die ersten fiktionalen Texte, für die ich je richtig bezahlt wurde, auf gewisse andere Studenten an meiner ersten Universität, die sündhaft teuer und piekfein war und an der hauptsächlich Absolventen elitärer Privatschulen in New York und Neuengland studierten. Um hier gar nicht groß ins Detail zu gehen, möge der Hinweis genügen, dass es sich um gewisse Prosatexte über gewisse wissenschaftliche Themen handelte, die ich für gewisse Studenten anfertigte, und dabei handelte es sich insofern um fiktionale Texte, als sie über Stil, Thesen, wissenschaftliche Urheberfassaden sowie Urhebernamen verfügten, die nicht die meinen waren. Ich glaube, Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Das Hauptmotiv hinter diesem kleinen Unternehmen war, wie das in der richtigen Welt so oft der Fall ist, finanzieller Natur. Nicht dass ich an der Uni bettelarm gewesen wäre, aber meine Familie war alles andere als wohlhabend, mein finanzielles Hilfspaket bestand teilweise in der Aufnahme eines umfangreichen Studentendarlehens, und dabei war mir bewusst, dass Schulden aus einem Studentendarlehen für Menschen, die nach der Uni eine Künstlerkarriere anpeilen, ein Wermutstropfen sind, schließlich ist es eine allgemein bekannte Tatsache, dass die meisten Künstler erst einmal jahrelang in asketischen Versenkungen verschwinden, bevor sie in ihren Berufen echte Kohle abgreifen.
Andererseits gab es an jener Uni viele Studenten, deren Familien imstande waren, ihren Sprösslingen nicht nur die gesamten Studiengebühren zu bezahlen, sondern ihnen auch Geld für persönliche Ausgaben zuzustecken, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. »Persönliche Ausgaben« meint hier Dinge wie Skiausflüge am Wochenende, Stereoanlagen, die ein Schweinegeld kosteten, Verbindungspartys mit voll ausgestatteter Bar usw. Ganz zu schweigen davon, dass der gesamte Campus nicht mal einen Hektar groß war, und trotzdem besaßen die meisten Studenten einen eigenen Wagen und mussten jedes Semester noch einmal vierhundert Dollar für einen Uni-Parkplatz hinblättern. Es war schon alles ziemlich unglaublich. In vielerlei Hinsicht erlebte ich an dieser Universität meine Einführung in die nackten Realitäten von Klasse, ökonomischer Stratifizierung und die sehr verschiedenen finanziellen Realitäten, in denen sich verschiedene Amerikaner bewegen.
Manche dieser Studenten aus der Oberschicht waren wirklich verwöhnt, schwachsinnig und/oder von keines ethischen Gedankens Blässe angekränkelt. Andere standen unter hohem familiärem Druck und erfüllten in Bezug auf ihr wahres Notenpotenzial aus den verschiedensten Gründen einfach nicht die hohen Erwartungen ihrer Eltern. Einigen fehlte einfach bloß ein effizientes Zeit- und Pflichtenmanagement, und dann standen sie bei einer Aufgabe plötzlich mit dem Rücken zur Wand. Ich glaube, damit können Sie sich ein ungefähres Bild der Lage machen. Sagen wir also einfach, dass ich, um mein Darlehen schnellstmöglich tilgen zu können, eine gewisse Dienstleistung anbot. Diese Dienstleistung war nicht billig, aber ich verstand mich recht gut darauf und leistete sorgfältige Arbeit. Ich verlangte beispielsweise grundsätzlich ausreichende Stichproben früherer Schriften eines Klienten, um mich in sein Denken und Schreiben hineinversetzen zu können, und ich machte nie den Fehler, etwas abzuliefern, was früheren Arbeiten des Betreffenden unrealistisch überlegen gewesen wäre. Sie können wahrscheinlich nachvollziehen, warum diese Etüden für jemanden, der sich für sogenanntes »Kreatives Schreiben«
Anmerkung
interessierte, gute Übungsgelegenheiten boten. Die Erlöse
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