Der bleiche König: Roman (German Edition)
bekannt. So die Schiene. Mir ist übrigens nicht entgangen, dass Sie zusammengezuckt sind.«
F.
»Unbedingt.«
F.
»Nach unserem Dafürhalten war der Ausgangspunkt des Spackman-Papiers, dass die wachsende Effizienz, mit der der Service das geltende Steuerrecht durchsetzte, nachweislich auch die Steuereinkünfte des Finanzministeriums steigern würde, ohne dass damit Steuerrechtsänderungen oder höhere Spitzensteuersätze einhergehen müssten. So die Schiene. D. h., das Papier lenkte die Aufmerksamkeit auf die Compliance und die Steuerlücke. Soll ich die Steuerlücke definieren oder so? Hat das schon jemand für Sie definiert? Stellen Sie hier jedem so ziemlich dieselben Fragen? Wäre es dem Service lieber, wennn ich da nicht weiter drauf eingehe?«
F.
»Ich glaube, eigentlich versteht sich das von selbst. Die Steuerlücke ist die Differenz zwischen den gesamten Steuereinkünften, die dem US -amerikanischen Finanzministerium in einem gegebenen Jahr von Rechts wegen zustehen, und den gesamten Steuern, die im selben Jahr faktisch vereinnahmt werden. Sie kommt öffentlich selten zur Sprache, hauptsächlich [unverständlich]. Heute ist sie dem Service auch eher ein Dorn im Auge. Damals allerdings nicht. Die Schätzungen im Spackman-Papier lauteten, dass im Jahr 1968 eine dem US -Finanzministerium zustehende Steuersumme in Höhe von sechs bis sieben Milliarden Dollar nicht gezahlt worden war. Spackmans ökonometrische Projektionen prognostizierten für das Jahr 1980 eine Steuerlücke im Umfang von knapp siebenundzwanzig Milliarden Dollar, was sich zum Zeitpunkt, als das Papier aus der Schublade gezogen wurde, als übertrieben optimistisch erwies. Bei Ausklammerung von Anfechtungen und Streitsachen lag die gemessene Steuerlücke 1980 bei über 31,5 Milliarden Dollar. Bemerkenswert war, dass der Umfang der Steuerlücke nie ernsthafte Kommentare auslöste oder auch nur große Aufmerksamkeit erhielt. Ich glaube, das ist der Grund, warum kaum je offen darüber gesprochen wird, die institutionelle Dämlichkeit der ganzen Angelegenheit, so die Schiene. Oder das ist der Grund, warum das Spackman-Papier nie ernsthafte Aufmerksamkeit erhalten hat, obwohl solche Grundsatzpapiere von Systems, wie gesagt, am laufenden Meter produziert werden. Institutionen können weit weniger intelligent sein als die Individuen, aus denen sie sich zusammensetzen. So die Schiene. Hinzu kommt, dass der Service ein Interesse daran hat, in den Augen der Steuerzahler als absolut effizientes, allwissendes Instrument der Steuererhebung dazustehen – bei der Besteuerung und der Bereitschaft der Öffentlichkeit, dem Steuerrecht zu willfahren, kommt schließlich eine komplexe Psychodynamik ins Spiel. Zum einen kann übertriebene Effizienz als Feindseligkeit missverstanden werden, so als exzessive Aggressivität, wodurch die Feindseligkeit der Steuerzahler steigt, was die Bereitschaft der Öffentlichkeit und im nächsten Schritt Mandat und Budget des Service faktisch beeinträchtigen kann, so die Schiene. Soll heißen, die ganze Angelegenheit ist komplex, so die Schiene, und die Psychodynamik fällt nicht in unser Ressort, und ich verstehe das alles auch nur in groben Umrissen, obwohl wir wissen, dass es für Tripel-Sechs von beträchtlichem Interesse ist und Untersuchungen auslöst. Spackmans Bericht, oder sein relevanter Teilabschnitt, wurde von jemandem im Umfeld des Dreifaltigen Gottes aus der Schublade gezogen. Es gibt widersprüchliche Versionen darüber, wer genau es war. So die Schiene. Und ich beziehe mich auf einen Zeitraum vor etwa zweieinhalb Jahren.«
F.
»Im Grunde war die Steuerlücke dem Grundsatzpapier zufolge eine Frage der Bereitschaft, Steuern zu zahlen. So die Schiene. Was ja auf der Hand liegt, schließlich entsprach die Lücke einem gegebenen Prozentsatz an Zuwiderhandlungen. Der relevante Teilabschnitt des Memos betraf aber die Aspekte der Steuerlücke, denen sich der Service auf profitable Weise widmen konnte. Um sie zu reduzieren, zu verbessern. So die Schiene. Folglich ein höheres Steueraufkommen. Ein gewisser Anteil der jährlichen Steuerlücke ging auf eine Schattenwirtschaft zurück, eine Bargeldwirtschaft, Tauschmechanismen und artverwandte Geschäfte, illegale Einkünfte und gewisse ausgeklügelte Steuervermeidungsmechanismen der Wohlhabenden, die kurzfristig nicht angepackt werden konnten. Die Analyse von Spackmans Papier vertrat aber die These, ein substanzieller Anteil der Steuerlücke resultiere aus behebbaren
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