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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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in kleinen Abschnitten und Streifen gemäht. Er mähte die Ostecke vom Vorgarten, kam dann eine Weile ins Haus, mähte als Nächstes den südwestlichen Streifen hinter dem Haus und ein kleines Viereck am Südzaun, kam wieder rein, und so ging das weiter. Solche kleinen Rituale hatte er noch und nöcher, so war er einfach. Kennen Sie das? Ich hab erst nach einiger Zeit verstanden, dass er das mit dem Rasen so machte, weil er das Gefühl mochte, fertig zu sein. Wenn er sich eine Aufgabe stellte, konnte er das Gefühl haben, sie erledigt zu haben, und sie war fertig. Das ist ein schönes Gefühl, man ist wie eine Maschine, die weiß, dass sie gut läuft und ihre Aufgabe erfüllt. Kennen Sie das? Wenn er den Rasen in, sagen wir siebzehn kleine Teilabschnitte zerlegte, was unsere Mom wie immer völlig durchgeknallt fand, konnte er nicht nur einmal, sondern siebzehn Mal das Gefühl haben, fertig zu sein. Also ›ich bin fertig. Ich bin schon wieder fertig. Und wieder mal, sieh mal einer an, bin ich fertig.‹
    Und hier funktioniert das irgendwie ähnlich. Bei den Standardprüfungen. Ich mag das. Im Durchschnitt braucht man für ein 1040er zweiundzwanzig Minuten – für Durchsicht, Prüfung und Memoschreiben. Vielleicht ein bisschen länger, das hängt von den Kriterien ab, manche Teams frisieren die Kriterien. Kennt man ja. Aber höchstens eine halbe Stunde. Jede erledigte verschafft einem dieses schöne Gefühl.
    Die Sache ist bloß, dass immer noch Erklärungen da sind. Man hat immer noch die nächste vor sich. Man wird nie richtig fertig. Aber andererseits war das beim Rasen ja auch nicht anders, oder? Jedenfalls wenn es genug regnete. Wenn er den letzten abgegrenzten kleinen Abschnitt erreicht hatte, konnte der erste Abschnitt schon wieder neu gemäht werden. Er wollte einen kurz gemähten Rasen haben, der gepflegt aussah. Er verbrachte viel Zeit da draußen, wenn ich’s mir recht überlege. Sehr viel Zeit.«
     
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    »Das war entweder in Twilight Zone oder in Outer Limits – einer von den beiden. Ein klaustrophober Mann, dessen Zustand sich immer weiter verschlimmert, bis er so klaustrophob ist, dass er nur noch schreit, und dann wird er in die Klapsmühle verfrachtet, wo er erst mal in die Isolationsverwahrung kommt, in einer Zwangsjacke in einen winzigen Raum mit einem Abfluss im Boden gesteckt wird, eine Zelle, so groß wie ein Schrank, was natürlich das Schlimmste ist, was man einem klaustrophoben Menschen antun kann, aber man erklärt ihm durch eine Klappe in der Tür, dass das nun mal die Vorschriften sind – wenn jemand schreit, kommt er in Isolationsverwahrung. Der Mann ist also verurteilt, der kommt da im ganzen Leben nicht mehr raus, denn solange er schreit und mit dem Kopf gegen die Wand rennt, um das Bewusstsein zu verlieren, muss er in der Zelle bleiben, und solange er in der kleinen Zelle steckt, muss er schreien, weil sein Problem ja gerade die Klaustrophobie ist. Er ist das Paradebeispiel dafür, dass Regeln und Verfahrensabläufe in manchen Fällen flexibel gehandhabt werden müssen, sonst gibt es einen riesigen Kladderadatsch, und irgendwem wird das Leben zur Hölle gemacht. Die Folge hieß sogar ›Regeln und Verfahren‹, und keiner von uns hat die je vergessen.«
     
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    »Ich glaube, ich kann nichts sagen, was nicht im Handbuch oder in den Dienstvorschriften steht.«
     
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    »Mutter nannte das Am-Starren-Sein. So nannte sie das bei meinem Vater, der jederzeit darauf verfallen konnte, in der Mitte von praktisch allem. Er war ein freundlicher Mann, ein Rechnungsprüfer für den Schulbezirk. Am Starren sein hieß, dass er etwas geraume Zeit unverwandt und ausdruckslos anstarrte. Das kann durch Schlafmangel ausgelöst werden oder wenn man zu viel geschlafen oder zu viel gegessen hat oder abgelenkt ist oder einfach nur vor sich hin träumt. Aber es sind eigentlich keine Tagträume, weil man ja etwas ansieht. Anstarrt. Meistens stur geradeaus – ein Bord im Bücherregal, das Arrangement auf dem Esszimmertisch, deine Tochter oder dein Kind. Aber beim Starren sieht man das, was man scheinbar anstarrt, gar nicht richtig an, man nimmt es gar nicht richtig wahr – man denkt aber auch an nichts anderes. In Wahrheit tut man geistig gar nichts, aber das unbeweglich, scheinbar mit großer Konzentration. Es ist, als würde die eigene Konzentration feststecken, wie Autoräder im Schnee feststecken können, durchdrehen, ohne voranzukommen, obwohl man voll konzentriert aussieht. Und

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