Der bleiche König: Roman (German Edition)
praktisch ein Störungssucher. Vorher war ich im Kundenzentrum Nebenstelle 0127 in Hanover, New Hampshire – da war ich erst in der Zahlungsabwicklung und dann in der Rückerstattungsbearbeitung. Die Nordostbezirke arbeiteten alle mit Oktalcodes, die Formulare waren perforiert, und man stellte Vietnamesinnen ein, die sie abrissen. In Hanover gab es jede Menge Flüchtlinge. Das ist acht oder neun Jahre her, war aber eine ganz andere Zeit. Das hier ist eine viel komplexere Organisation.«
F.
»Ich bin ledig, und ledige Männer werden im Service am häufigsten versetzt. Jede Versetzung macht der Personalabteilung Arbeit; und die Versetzung von Familien ist noch schlimmer. Angestellten mit Familien muss man zusätzliche Anreize bieten, um sie zum Umziehen zu bewegen, dafür gibt es Dienstvorschriften. Vom Finanzministerium. Aber wenn man ledig ist, packt man irgendwann gar nicht mehr aus.
Im Service lernt man schwer Frauen kennen. Weil der Job nicht besonders beliebt ist. Es gibt da einen Witz; kann ich den erzählen?«
F.
»Sagen wir, Sie treffen bei einer Party eine Frau, die Ihnen gefällt. Die Frau fragt, was machst du beruflich? Sie so, ich bin im Finanzwesen. Die Frau fragt, wo genau? Sie so, im Bereich Wirtschaftsprüfung, ist ’ne lange Geschichte. Die Frau fragt, ach ja, für wen denn? Sie so, für die Regierung. Die Frau fragt, Stadt, Staat? Sie so, Bundesebene. Die Frau fragt, ach ja, welches Ressort denn? Sie so, Finanzministerium. Es wird immer enger eingekreist. Irgendwann schnallt sie, um welchen heißen Brei Sie herumgehen, und weg ist sie.«
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»Zucker hat in einem Kuchen verschiedene Funktionen. Eine ist beispielsweise, Feuchtigkeit aus der Butter aufzunehmen, den Teig mürbe zu machen und die Feuchtigkeit langsam wieder freizugeben, was den Kuchen feucht hält. Nimmt man weniger Zucker, als im Rezept steht, bekommt man einen sogenannten Trockenkuchen. Das bringt’s nicht.«
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»Angenommen, Sie denken im Raster ›die da oben – die da unten‹. Unausweichlichkeit. Dann haben Sie es im Endeffekt mit zwei Menschensorten zu tun. Einerseits haben Sie die Rebellentypen, die einfach volle Kanne gegen die da oben sind und rebellieren. Gegen-den-Wind-Spucker, die sich stark fühlen, wenn es gegen die da oben geht, das Establishment und was weiß ich. Typ zwei ist ein anderer Typ, die Soldatenpersönlichkeit, der Menschenschlag, der an Ordnung und Macht glaubt, Autoritäten respektiert und sich an Macht, Autorität, Ordnung und alles anpasst, was es braucht, damit ein System flutscht. Angenommen, Sie gehören zum zweiten Typ. Davon gibt es mehr, als man glaubt. Die Zeit der Rebellen ist vorbei. Wir haben jetzt die Achtziger. Wenn Sie zum zweiten Typ gehören: Wir brauchen dich – das sollte deren Schlagwort sein. Im Service. Man muss wissen, woher der Wind weht, Mann. Mach auf der Seite mit, die immer ihr Geld kriegt. Ohne Scheiß jetzt. Auf der Seite des Rechts und der Kraft des Rechts, der Seite der Flut und der Schwerkraft und des Naturgesetzes, dem zufolge alles nach und nach immer ein bisschen heißer wird, bis die Sonne irgendwann explodiert. Es gibt nämlich zwei Unausweichlichkeiten im Leben, wie es so schön heißt. Unausweichlichkeit – das ist Macht, Mann. Entweder man wird Leichenbestatter, oder man geht zum Service, wenn man sich mit echter Macht zusammentun will. Ein Leben mit Rückenwind. Sag ihnen: Aufgepasst, spuck mit dem Wind, und die Spucke fliegt weiter. Darauf geb ich dir Brief und Siegel, Mann.«
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»Ich hatte eine Idee, ich wollte ein Theaterstück schreiben. Unsere Stiefmutter ist immer ins Theater gegangen; am Wochenende hat sie uns ständig zu Matineen ins Gemeindezentrum geschleift. So hab ich alles über die Bühne und Theaterstücke kennengelernt. Und in diesem Stück, nur weil die alle – Verwandte, Leute an der Driving Range – gefragt haben, also da geht’s um Folgendes. Es sollte ein absolut echtes, naturgetreues Stück werden. Nicht aufführbar, darum ging es ja gerade. Um Ihnen einen Eindruck zu verschaffen. Die Grundidee ist, dass ein Schlängler, ein Standardprüfer, am Schreibtisch sitzt und 1040er wälzt, Anlagen, Aktenvermerke, W-2er, 1099er usw. Die Ausstattung ist ganz kahl und minimalistisch – es gibt nichts zu sehen außer diesem Schlängler, der sich überhaupt nur bewegt, wenn er eine Seite umblättert oder sich eine Notiz auf seinem Block macht. Es ist kein Tingle-Tisch mit Fächern für die ganzen
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