Der bleiche König: Roman (German Edition)
der Veranda essen, den Lachs mit so einer besonderen Salbeikruste, die Midge und Alice machen wollten, und dazu überbackene Kartoffeln – ich glaub, überbacken; vielleicht nennt man das dann auch Gratin. Und einen großen Salat, so groß, dass man ihn nicht mal rumreichen konnte; der musste auf einem Beistelltischchen stehen.«
Der zweite Mann krempelt sich jetzt sorgfältig den Ärmel runter und knöpft ihn über dem Handgelenk mit dem Ding zu, obwohl Dean wetten könnte, wenn er über seinen Steuererklärungen sitzt und der Ärmel ein bisschen hochrutscht, ist der Rand der roten Zystenpenumbra über der Manschette gerade noch zu sehen, und weil die Manschette den ganzen Steuerprüfungstag lang über der Wucherung hin- und herreibt, sieht die vielleicht so rot und wund aus – vielleicht schmerzt sie auf schwache, unerträgliche Weise jedes Mal, wenn die Manschette über dem kleinen Hornauswuchs scheuert.
»Aber es war ein echt schöner Tag. Hank und ich waren im Hobbyraum, der zwei große Fenster mit Blick auf den Vorgarten und die Straße hat; Kinder aus der Nachbarschaft fuhren mit ihren Fahrrädern die Straße auf und ab, schrien herum und hatten echt Spaß. Da haben wir uns gesagt, oder vielmehr Hank meinte, was soll’s, an so einem schönen Tag fragen wir die Mädchen, ob sie nicht Lust haben, zu grillen. Also haben wir Hanks Grill geholt, so ein großes Weber-Modell mit Rädern, das man gekippt rollen kann; so eins mit drei Beinen, aber nur mit zwei Rädern untendran – kennst du ja bestimmt.«
Der zweite Mann beugt sich vor und spuckt geschickt durch die Zähne ins Gras am Rand des Hexagramms. Er ist vielleicht vierzig, und im Sonnenlicht kann Lane Dean an den Schläfen grau melierte Haare sehen. Er stellt sich vor, dass er in weiten Kreisen über das Feld rennt und wie Roddy McDowall mit den Armen rudert.
»Also haben wir den rausgeschoben«, sagt der erste Mann, »und haben den Lachs gegrillt und nicht gedünstet, auch wenn alles andere gleich blieb, und Midge und Alice haben sich ausgetauscht, wo sie die Salatschüssel herhätte, die oben um den Rand diese ganzen kleinen Schnitzereien hatte, das Ding hat bestimmt seine zwei Kilo gewogen. Hank hat auf der Terrasse gegrillt, und wegen der Insekten haben wir dann auf der Veranda gegessen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragt Lane Dean und merkt, dass seine Stimme eine Spur hysterisch klingt.
»Na ja«, sagt der erste, massigere Mann. »Die Sonne war am Untergehen, und vom Golfplatz drüben bei Fairhaven kamen die Moskitos rüber. Wir hatten keine Lust, auf der Terrasse zu sitzen und bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden. Das musste nicht mal ausgesprochen werden.« Der Mann merkt, dass Lane Dean ihn immer noch ansieht, den Kopf aus einer Neugier, die er kein bisschen verspürt, übertrieben auf die Seite gelegt.
»Also, die haben so einen Wintergarten.« Der zweite Mann sieht Lane Dean an à la ›Wer ist das denn?‹.
Der Mann, der bei den anderen Leuten zu Abend gegessen hat, lacht. »Hat die Vorteile von beidem. Ein Wintergarten.«
»Außer wenn’s regnet«, sagt der zweite Mann. Beide lachen verlegen.
§ 17
»Irgendwie hatte ich mir schon ganz früh, schon als Kind, vorgestellt, Steuerleute würden zu diesen anderen Gruppen von Behördenhelden gehören, bürokratischen Helden des Alltags – wie Polizisten, Feuerwehrleute, Sozialarbeiter, Rotkreuzmitarbeiter und VISTA -Angestellte oder wie die Leute, die bei den Sozialversicherungen die Archive führen, oder wie bestimmte Geistliche und Leute mit Ehrenamt in der Gemeinde – Leute, die die Löcher nähen oder verbinden, die die egoistischeren, glamouröseren, gleichgültigeren ›Platz da, jetzt komm ich‹-Leute der Gesellschaft immer aufreißen. Also ich meine, das Personal, das bei Polizei, Feuerwehr und Geistlichkeit in den Büros sitzt, nicht die Leute, die jeder kennt und die für ihre Taten in die Zeitung kommen. Ich meine nicht die Helden, die ›ihr Leben in die Schanze schlagen‹. Ich glaube, worauf ich rauswill, ist, es gibt da noch andere Sorten. Zu denen wollte ich gehören. Menschen, die noch heldenhafter sind, weil niemand ihnen applaudiert oder auch nur einen Gedanken an sie verschwendet, oder wenn, dann stehen sie irgendwie als Buhmann da. Menschen, die eher zu den Putztruppen gehen, als dass sie beim Schulball in der Band spielen oder da oben neben der Ballkönigin stehen, um’s mal so zu sagen. Die schweigende Mehrheit, die sauber macht und die Drecksarbeit
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