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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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Federalist Papers dieses Landes waren eine unglaubliche moralische und intellektuelle Errungenschaft. Denn da haben zum ersten Mal in einer modernen Nation Machthaber ein System eingerichtet, in dem die Macht der Bürger über den eigenen Staat eine essenzielle Angelegenheit und nicht bloß Symbolik war. Das war absolut unbezahlbar, und es wird neben Athen und der Magna Charta in die Geschichte eingehen. Die Tatsache, dass es eine Utopie war, die zweihundert Jahre lang tatsächlich funktioniert hat, macht sie mehr als unbezahlbar – das macht sie buchstäblich zu einem Wunder. Und um auf Jefferson, Madison, Adams und Franklin zu kommen, unsere wahren Kirchenväter: Was das amerikanische Experiment über große Fantasie hinaushob und es um ein Haar funktionieren ließ, war nicht nur die Intelligenz dieser Männer, sondern ihre fundamentale moralische Aufgeklärtheit – ihre Auffassung von Bürgersinn. Tatsache ist doch, dass die Nation und ihre Bürger ihnen wichtiger waren als das eigene Wohl. Sie hätten Amerika schließlich auch als eine Oligarchie einrichten können, in der mächtige Industrielle aus dem Osten und Großgrundbesitzer aus dem Süden das Sagen gehabt und mit eiserner Hand in einem Handschuh aus liberaler Rhetorik regiert hätten. Muss ich Robespierre, die Bolschewisten oder die Ajatollahs eigens erwähnen? Die Gründerväter waren Genies der Bürgertugend. Das waren Helden. Die größte Mühe verwandten sie auf die Einschränkung der Staatsgewalt.«
    »System der Checks and Balances.«
    »Power to the People.«
    »Sie wussten, dass Macht nun einmal korrumpiert –«
    »Jefferson soll ja seine eigenen Sklavinnen gepimpert und rudelweise Mulattenkinder gehabt haben.«
    »Sie glaubten, eine zentrale Staatsgewalt würde durch die Ausbreitung in einer engagierten, gebildeten und staatsbürgerlich gesonnenen Wählerschaft gewährleisten, dass sich Amerika nicht wieder in ein System aus Adligen und Pächtern, aus Herrschern und Leibeigenen verwandelt.«
    »Eine gebildete Wählerschaft von weißen männlichen Landbesitzern sollten wir allerdings nicht vergessen.«
    »Und das gehört zu den Paradoxa des zwanzigsten Jahrhunderts mit Höhepunkt in den Sechzigern. Ist es gut, die Dinge gerechter zu gestalten und der gesamten Bürgerschaft das Wahlrecht zu geben? Ja, natürlich, theoretisch. Und doch ist es kinderleicht, unsere Vorfahren durch die Linse der Gegenwart zu verurteilen, statt wenigstens versuchsweise ihre Perspektive einzunehmen. Dass die Gründerväter das Wahlrecht nur wohlhabenden, gebildeten, männlichen Landbesitzern übertrugen, lag daran, dass sie die Macht nur in die Hände von ihresgleichen legen wollten –«
    »Was mir jetzt nicht gerade neu oder experimentell vorkommt, Mr Glendenning.«
    »Sie glaubten an die Rationalität – sie glaubten, privilegierte, belesene, gebildete und moralisch hochstehende Menschen könnten ihnen nacheifern und verständige und selbstgenügsame Entscheidungen zum Wohl der Nation fällen und nicht nur ihren jeweiligen Partikularinteressen folgen.«
    »Es ist jedenfalls eine fantasievolle und raffinierte Rationalisierung von Rassismus und männlichem Chauvinismus, das steht mal fest.«
    »Das waren Helden, und wie alle echten Helden waren sie bescheiden und hielten sich selbst für nichts Besonderes. Sie glaubten, ihre Nachfahren würden ihnen ähneln – rational, ehrenhaft, voller Bürgersinn. Männer, denen das Gemeinwohl mindestens ebenso viel bedeutete wie ihr persönlicher Vorteil.«
    »Wie konnte es seit den Sechzigern nur so weit kommen?«
    »Und stattdessen haben wir die Schisshasen und Wendehälse, die heute in der Politik sitzen.«
    »Wir wählen, was wir verdient haben.«
    »Aber eins ist doch seltsam. Da waren die nun so vorausschauend und weitsichtig, errichteten Kontrollinstanzen gegen die Machtkonzentration bei einer einzelnen Staatsgewalt, brachten eine gesunde Skepsis gegenüber der Regierung mit – und andererseits hatten sie diesen naiven Glauben an die Bürgertugenden der einfachen Leute.«
    »Unsere Politiker, unser Staat, das sind wir, wir alle, wenn sie also korrupt und schwach sind, dann, weil wir es sind.«
    »Ich kann’s nicht leiden, wenn Sie resümieren, was ich sagen will, und alles falsch verstehen, aber ich steig da auch noch nicht ganz durch. Denn es ist mehr als das. Ich glaube nicht, dass unsere Politiker das Problem sind. Ich habe Ford gewählt, und wahrscheinlich wähle ich auch Bush oder meinetwegen Reagan, und ich werde

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