Der blinde Hellseher
nicht
wahr? Dünne Plastikschalen, die andere Leute als Brillenersatz direkt auf den
Augen tragen. Sie benutzen das nur zur Täuschung und...“
Tarzan hielt inne.
Vom Waldrand her ertönte ein
gellender Pfiff.
Karl warnte ihn. Die Frau kam
zurück.
Sekunden später hörte Tarzan
den Wagen.
Raimondo schleppte sich zu
seinem Liegestuhl. Ächzend sank er hinein. Immer noch preßte er beide Hände auf
die Rippen.
„Ihr Medium kommt“, sagte
Tarzan. „Ich möchte wissen, wer von Ihnen beiden durchtriebener ist. Aber
wahrscheinlich nehmen sie sich gegenseitig nichts.“
Raimondos Gesichtsfarbe
normalisierte sich etwas.
„Was willst du eigentlich?“
fragte er böse. „Du bist doch nicht hierher geschlichen, um mich zu beobachten.
Du wolltest die Schlüssel stehlen!“
„Stimmt!“
Tarzan hörte, wie der Wagen in
die Scheune fuhr. Der Motor verstummte.
„Und wozu?“ wollte der
Hellseher wissen.
„Weil ich das Haus durchsuchen
will.“
„Was?“ Sprachlos sah Otto Biersack
ihn an. „Bist du übergeschnappt?“
Die Frau kam. Ihre Schritte
waren nicht zu hören. Aber sie hatte Flaschen im Korb, und die schepperten
gegeneinander.
Tarzan trat zur Seite und
stellte sich so, daß er auch die Hausecke im Auge hatte.
Klara Bichler, genannt Amanda,
bog um die Ecke, weitete erstaunt die Augen und blieb stehen.
„Nanu? Besuch? Otto, d...“ Sie
schoß einen warnenden Blick in seine Richtung, wußte aber nicht, wie sie sich
wegen seiner fehlenden Haftschalen verhalten sollte. Sie entschloß sich zu
Freundlichkeit.
„Dich kenne ich doch, junger
Mann. Warst du nicht gestern abend bei Krauses?“
Kühl sah Tarzan sie an.
„Geben Sie sich keine Mühe“,
sagte er. „Ihren großen Meister habe ich schon als Betrüger entlarvt. Sie sind
wahrscheinlich kein bißchen besser.“
„Wie... bitte?“
„Er gibt zu, daß er meine
Schlüssel stehlen wollte“, sagte Raimondo, „um das Haus zu durchsuchen. Er ist
ein mieser kleiner Dieb, und wir werden ihn der Polizei übergeben.“
„Von Übergeben“, sagte Tarzan,
„kann wohl keine Rede sein. Denn Sie halten mich nicht fest. Oder wollen Sie’s
nochmal probieren. Im übrigen freue ich mich, wenn Sie die Polizei
verständigen. Die müßte bei der Durchsuchung dabei sein.“
„Wozu denn die Durchsuchung?“
fragte Raimondo. „Was willst du finden?“
„Volker! Wen sonst!“
Fassungslos starrten die beiden
ihn an. Amandas Gesicht nahm einen geradezu blöden Ausdruck an.
„Meinst du... Volker Krause?“
Tarzan nickte. „Für mich ist
klar: Sie beide haben ihn gekidnappt. Wahrscheinlich wird er hier irgendwo
versteckt. Ich vermute, im Keller.“
Raimondo krümmte sich wieder.
Aber diesmal vor Lachen. Sein Gesicht schien auseinander zu platzen. Auch dabei
preßte er die Hand auf die Stelle, wo Tarzans Ellbogenstoß ihn getroffen hatte.
Lachtränen liefen über seine Wangen und er keuchte: „Köstlich! Einmalig!
Himmel, wenn’s nur nicht so wehtäte!“
„Sie streiten es also ab“,
sagte Tarzan zu der Frau.
„Junge! Deswegen also. Du
verdächtigst uns und bist hergekommen, um deinen Freund zu befreien. Das
entschuldigt alles. Das imponiert mir. Wie heißt du?“
„Tarzan... eh... Ich meine:
Peter Carsten.“
„Wirst aber Tarzan genannt,
wie? Kein Wunder! Wenn jemand so mutig ist und...“
„Reden Sie nicht mit mir wie
mit einem Achtjährigen“, sagte Tarzan. „Ich kann eine Sache sehr genau beurteilen.
Und Sie beide sind für mich Betrüger. Auch wenn Sie mich jetzt einwickeln
wollen.“
„Wieso sind wir Betrüger? Nur
weil Raimondo den Blinden spielt. Das ist Schau, zugegeben. Und vielleicht
nicht sehr geschmackvoll. Aber man muß sich wirkungsvoll verkaufen — falls du
weißt, was das bedeutet. Und dazu gehören mancherlei Mätzchen. Betrüger sind
wir deshalb nicht.“
„Doch! Das ganze Zeugs vom
Spiritismus ist Schau. Und erlogen.“
„Um das zu beurteilen, Tarzan,
mußt du noch älter werden. Und brauchst eine Menge Lebenserfahrung.“
„Ich hoffe, daß ich mit
zunehmendem Alter klüger werde und nicht dümmer. Denn nur Einfaltspinsel fallen
auf Ihre Tricks rein. Das heißt... Ich meine, Frau Krause betrifft das
natürlich nicht. Sie macht das wohl mehr... aus Hobby.“
Amanda zuckte die Achseln, ging
zum Tisch und stellte ihren Korb ab. Er enthielt einige Flaschen Rotwein, ein
Brot und eine armlange Salami.
„Lassen wir das Thema, Tarzan.
Es führt zu nichts. Du willst also unser Haus durchsuchen?“
„Allerdings! Und
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