Der blinde Hellseher
wenn Sie ein reines
Gewissen haben, dann können Sie mir die Durchsuchung erlauben. Erlauben Sie’s?“
17.
Der neue Verdacht
„Soviel Dreistigkeit habe ich
noch nicht erlebt“, sagte Raimondo durch die Zähne. Er hatte jetzt richtig
tückische Augen.
„Laß ihn doch“, murmelte sie.
„Sobald er sich überzeugt hat, ist alles wieder in Ordnung. Also gut!“ wandte
sie sich an Tarzan. „Du kannst alle Räume durchsuchen.“
Mißtrauisch sah Tarzan sie an.
„Eine Falle, wie? Sie denken, Sie könnten mich im Haus überrumpeln. Oder ich
soll durch eine Luke stürzen. Aber da täuschen sie sich. Ich bin nämlich nicht
allein hier! Moment!“
Er trat soweit neben das
Gebäude, daß seine Freunde ihn sehen konnten. Durch die trichterförmig
zusammengelegten Hände rief er: „Karl! Komm’ bitte her! Die anderen sollen
bleiben, wo sie sind.“
„Um Himmels willen!“ sagte
Amanda. „Wie viele seid ihr denn?“
Aber Tarzan überhörte das. Er
sah, wie Karl unter den Bäumen hervortrabte und sich im Laufschritt näherte.
Außer Atem kam er bei Tarzan an. Dann sah er die beiden. Und war für einen
Moment so überrascht, daß er nicht wußte, wie er sich verhalten sollte.
Immerhin nickte er grüßend.
„Raimondo ist nicht blind“,
sagte Tarzan. „Ich habe es zu spät gemerkt. Deshalb hat er mich erwischt. Sie
wissen, daß wir Volker hier vermuten. Und sie erlauben, daß ich das Haus
durchsuche. Es könnte aber sein, daß sie mich — weil sie glaubten, ich wäre
allein — nur in eine Falle locken wollen. Weiß der Himmel, welche
Hokuspokus-Vorrichtungen da drin sind. Ihr wißt also Bescheid. Gaby und Willi
sollen sofort ins Dorf fahren und eine Telefonzelle belagern. Du bleibst zur
Beobachtung am Waldrand. Wenn ich nach 15 Minuten nicht zurück bin, alarmiert
ihr die Kripo.“
Karl nickte. „Ist klar wie
Kloßbrühe! Auf uns kannst du dich verlassen.“
Er machte kehrt und trabte
zurück.
„Übrigens“, sagte Tarzan zu den
beiden, „Gaby ist die Tochter des Kriminal-Kommissars, der nach den Kidnappern
sucht.“
„Der wird sich freuen über
euch“, sagte Amanda trocken.
„Von Ihnen ist er jedenfalls
nicht sehr begeistert“, erwiderte Tarzan. Dann biß er sich rasch auf die
Lippen. Mit der nächsten Bemerkung hätte er beinahe Herrn Glockners gestriges
Inkognito, seine Namens-Verheimlichung, gelüftet.
„Sowas wie dich“, meinte Amanda
kopfschüttelnd, „gibt’s wirklich nur einmal. Nun komm’ schon! Sonst sind die 15
Minuten um und deine Kumpane hetzen uns die Polizei auf den Hals, während du in
unseren Schallplatten wühlst.“
Es gab eine Hintertür. Amanda
ging voran. Tarzan war auf der Hut. Daß Raimondo sich anschloß, war zu erwarten
gewesen. Er massierte seine Leber und murmelte was von einem doppelten Cognac.
Das äußerlich so verkommene
Haus erwies sich hinter den Mauern als gemütliches Nest: mit Kaminzimmer,
rustikaler Küche, hübschem Bad, einem Arbeitszimmer — das vollgestapelt war mit
Büchern über Spiritismus und Schwarze Magie — und einem heimeligen
Schlafzimmer. Die Betten waren mit rotblaukarierter Bauernwäsche bezogen.
Natürlich interessierte sich
Tarzan in erster Linie für den Keller. Jeden Winkel durchforschte er dort. Er
sah hinter den Öltank und klopfte die Wände ab, aber er fand kein Versteck.
Volker war nicht hier.
Auf seinem Weg durchs Haus hatte
ihn keiner der beiden begleitet. Amanda werkelte in der Küche. Raimondo saß im
Kaminzimmer und trank Cognac. Tarzan sah auf seine Uhr. Ihm blieb nur noch eine
Minute.
„Ich bin fertig“, sagte er nach
seinem Rundgang. Er war ein bißchen verlegen.
„Nun?“ fragte Amanda. „Hat sich
unsere Unschuld erwiesen?“
„Bis jetzt steht nur fest, daß
Volker nicht hier ist. Aber es gibt ja noch andere Verstecke. Sollte sich
herausstellen, daß wir Sie zu Unrecht verdächtigt haben, werden wir uns
entschuldigen. Ich muß jetzt gehen.“
„Willst du ein Wurstbrot?“
fragte Amanda.
Aber Tarzan lehnte ab.
Er lief zu Karl, der am
Waldrand lauerte. Sie schwangen sich auf die Räder und fuhren ins Dorf.
Unterwegs erzählte Tarzan, was vorgefallen war. Klößchen und Gaby warteten bei
der Telefonzelle am Dorfplatz. Nachdem Tarzan zum zweiten Mal erzählt hatte,
schwiegen alle.
Daß ihre Mühe, Volker zu
finden, so gar keinen Erfolg hatte, bedrückte sie sehr.
„Jedenfalls hast du’s dem Hellseher
ordentlich gegeben“, meinte Klößchen schließlich. „Das verdient er auch,
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