Der blinde Passagier
Besonders Junggesellen brauchen so etwas.“
„Ich bin auch Junggeselle.“ Der Pfeffer-und-Salz-Anzug lächelte.
„Schade.“ Peter Schimmelpfennig lächelte zurück. „Wenn Sie mir vor der Sendung nicht gesagt hätten, daß ich hier keine Reklame machen darf, könnte ich Ihnen jetzt verraten, daß meine Mutter ihr Geschäft am Ersten eröffnet, und zwar in der Steinstraße zweiundzwanzig.“
Vielleicht wurde in diesem Augenblick vor ein paar hunderttausend Fernsehapparaten schallend gelacht. Jedenfalls lachten die Herren Freitag und Semmelroth. Aber so, wie Frau Schimmelpfennig und die Großmutter lachten, lachte bestimmt niemand. Die beiden Damen fielen beinahe von ihren Stühlen.
Eine knappe halbe Stunde später saß Peter Schimmelpfennig bereits neben Dr. Liesegang am Konferenztisch im achten Stockwerk des Abendblattes. Man besprach die morgige Ausgabe, und die übliche Dunstwolke aus Zigarettenrauch und Pfeifenqualm lag wie eine Nebelschicht über den Köpfen der Redakteure.
Inzwischen waren die letzten Filme, die Peter Schimmelpfennig mitgebracht hatte, im Fotolabor entwickelt worden, und die Bilder wanderten gerade um den Tisch. Zusammen mit den Fotos, die heute morgen bei der Ankunft am Flugplatz gemacht worden waren.
„Wir bringen natürlich die Rückkehr unseres ,blinden Passagiers 1 auf der ersten Seite“, gab Dr. Liesegang bekannt. „Auch wenn sich der Präsident der Vereinigten Staaten in den nächsten zwei Stunden das Bein bricht.“
Anschließend wurde über die Schlagzeile beraten, und dann einigte man sich, welche Fotos abgedruckt werden sollten. Am besten gefiel das Bild, das Herr Mayer mit Ypsilon noch im letzten Augenblick in Thailand aufgenommen hatte. Peter Schimmelpfennig stand dicht neben dem früheren Untermieter und jetzigen König von Tanimpang. Beide lächelten in die Kamera, und sogar die Standarte auf der weißen Limousine mit dem Löwenkopf war deutlich zu erkennen.
„Ein besseres Foto könnten wir uns gar nicht wünschen“, sagte der Chefredakteur des Abendblattes, und dann mußte Peter Schimmelpfennig ganz genau erzählen, was in Bangkok noch alles passiert war. Während er sprach, lief ein Tonbandgerät, und alle Redakteure hörten so aufmerksam zu wie eine Schulklasse, wenn ein paar Herren vom Kultusministerium in den Unterricht hereinschneien.
Die Lichter brannten schon in den Straßen und warfen ihre weißen Kreise in den Schnee, als der Liesegangsche Wagen vor die Steinfeldstraße 84 rollte. Der Chef des Abendblattes hatte es sich nicht nehmen lassen, den „blinden Passagier“ nach Hause zu bringen.
„Tokio und alles andere verbraten wir in den nächsten Ausgaben“, meinte Dr. Liesegang. „Für morgen haben wir als einzige Zeitung deine Geschichte mit Herrn Sang Ping. Und das ist für eine Redaktion genauso, als ob sie das große Los gezogen hätte. Bist du jetzt sehr müde um die Nase?“
„Mittelprächtig“, meinte Peter Schimmelpfennig.
Die beiden saßen in dem großen, breiten Wagen. Aus dem Radio kam leise Musik, und der Scheibenwischer nahm die Schneeflocken mit sich fort.
„Wenn du irgendwann glaubst, daß du mich brauchen kannst...“ meinte der Chef des abendblattes nach einer Weile. „Du kannst immer zu mir kommen.“ Er ließ wieder einmal weiße Rauchringe in die Luft steigen. „Und vielleicht willst du eines Tages wirklich zur Zeitung...“
„Ich glaube schon“, sagte Peter Schimmelpfennig.
„Senhor Tavares hat übrigens bezahlt, und die BABALU-Leute haben daraufhin auch gleich ihre Filme bekommen“, bemerkte Dr. Liesegang noch. „Aber das Geschäftliche besprechen wir zusammen mit deiner Mutter in aller Ruhe bei einer Tasse Kaffee und Kuchen.“
„Noch einmal herzlichen Dank für alles“, sagte Peter Schimmelpfennig beim Aussteigen.
„Gute Nacht, Schimmelfritze“, rief der Chefredakteur hinter ihm her.
Als Frau Schimmelpfennig im vierten Stock hinter ihrem Jungen die Tür abschloß, sagte die Großmutter: „Na, endlich.“ Dabei ließ sie sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine von sich, als ob gerade sie um die Welt gesegelt wäre und nicht ihr Enkel.
Die Segeltuchtasche und die beiden Koffer aus Trinidad und Tokio hatte Frau Schimmelpfennig natürlich längst ausgepackt. Die gebrauchte Wäsche war verschwunden, und mit den nagelneuen Sachen des Warenhauses DAIMARU hatte sie in Peters Zimmer eine Art Ausstellung veranstaltet. Das zitronengelbe Paket von Direktor Suzuki lag ungeöffnet zwischen dem blauen
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