Der blinde Passagier
Fotoapparaten und Handkameras über das Flugfeld gelaufen kamen. Jetzt blieben sie stehen und blickten der Maschine nach. Es machte den Eindruck, als seien sie nicht besonders gut aufgelegt.
Aber die Herren Wachsberger und Giese rieben sich die Hände.
„Es hatte sich natürlich herumgesprochen, daß du zurückkommst, und es steht ja auch im abendblatt“, bemerkte der Herr, der wie Einstein aussah. „Aber Dr. Liesegang wollte, daß du erst in Hamburg deinen Bahnhof hast.“
„Deshalb sollten wir dich hier in Empfang nehmen“, meinte jetzt der dicke Sportredakteur, „und ohne Umweg sofort in die nächste Maschine nach Hamburg verfrachten. Das ist uns gelungen, wie du siehst.“ Er zündete seine Pfeife an und stocherte dabei im Tabak herum.
„Und da hast du die Zeitungen der letzten Tage. Damit du eine Ahnung davon bekommst, was dich erwartet.“
Es schneite weiter, und die Maschine wackelte ganz schön. Herr Giese bestellte sich einen Kognak, und Herr Wachsberger trank einen Pfefferminztee. Beide schauten sich dabei immer wieder den Jungen an, der eine Zeitung nach der anderen umblätterte und völlig fassungslos war. Seine Fotos waren größer abgedruckt als die Bilder der bekanntesten Filmstars. Schlagzeilen und ganze Titelseiten berichteten nur vom „blinden Passagier“.
„Du bist inzwischen ein berühmtes Tier geworden“, bemerkte der weißhaarige Herr Wachsberger schließlich. „Hoffentlich steigt dir das nicht zu Kopf. Auf meinem speziellen Arbeitsgebiet, der Politik, wüßte ich da einige Beispiele.“
„Wir überfliegen in diesem Augenblick Hannover“, gab der Bordlautsprecher bekannt.
„Es war übrigens nicht zu verhindern, daß alle möglichen Zeitungen am Flugplatz sind“, meinte jetzt der dicke Sportredakteur. „Auch das Fernsehen wird dasein. Aber du sollst möglichst nichts erzählen, bittet Dr. Liesegang.“
„Der Witz ist natürlich der“, fügte der Herr, der wie Einstein aussah, hinzu: „Man soll nur im abendblatt lesen können, was du erlebt hast.“
„Exklusiv.“ Peter Schimmelpfennig lächelte.
„Genau das“, bemerkte der weißhaarige Herr Wachsberger.
Die Convair stieß jetzt durch die Wolkendecke, und in dem Augenblick, als die Sicht auf die Alster frei wurde, schwebte sie auch schon über der Landebahn.
Die Terrasse auf dem Flugplatzgebäude war schwarz von Menschen.
„Ich fürchte, das ist für dich“, bemerkte der pfeiferauchende Sportredakteur, „für einen Sonntagvormittag eine Leistung, die dir so schnell kein Politiker nachmacht.“
„Es kommt jetzt darauf an, daß wir in der richtigen Reihenfolge aussteigen“, gab Herr Wachsberger zu bedenken. „Am besten, du bleibst bis zuletzt in der Maschine, und wir zwei peilen zuerst, wie der Hase läuft.“ Er war jetzt doch ein wenig aufgeregt. „Die sicherste Theaterpremiere ist schon geschmissen worden, weil sich die Schauspieler hinterher falsch verbeugt haben.“
Die beiden Herren waren jetzt so sehr mit sich selbst beschäftigt, daß sie gar nicht bemerkten, wie Peter Schimmelpfennig blasser und blasser wurde.
Die Maschine rollte zum Flugplatzgebäude. Acht riesenlange Neger, die mitgeflogen waren, holten bereits ihre Taschen aus dem Gepäcknetz. Sicherlich handelte es sich um Basketballspieler. Weiter vorne saß eine schwarzhaarige, noch sehr junge Dame in einer Wolke von Parfüm. Sie hatte einen Leopardmantel über den Schultern und trug dazu einen knallroten Lederhut und Schuhe, die genauso knallrot waren. Sie puderte sich gerade ihre Nase und plauderte dabei mit zwei Begleitern, die Sonnenbrillen auf der Nase hatten.
„Wir gehen schon mal vor“, flüsterten die Herren Wachsberger und Giese, als die Motoren abgestellt wurden.
Die Passagiere zogen ihre Mäntel an, nahmen ihr Handgepäck und drängelten sich zu den beiden Ausgängen.
Peter Schimmelpfennig blieb einstweilen sitzen und blickte zum Fenster hinaus. Er drückte die Hände zusammen und hatte ein komisches Gefühl im Magen. Da sah er auch schon, wie eine ganze Fußballmannschaft von Fotografen und Kameraleuten über das Flugfeld angelaufen kam. Er nahm seinen Kopf vom Fenster zurück, als sei gerade ein Schuß auf ihn abgefeuert worden.
Inzwischen war die blutjunge Dame mit dem Leopardmantel und dem knallroten Lederhut durch den Ausgang für die erste Klasse auf die Gangway spaziert. Und als sie jetzt die vielen Objektive und Blitzlichter sah, lächelte sie gleichzeitig erstaunt und entzückt. Sie war nämlich nach Hamburg
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