Der blinde Passagier
Antwort.
Während sich Peter Schimmelpfennig überlegte, was er damals tatsächlich gedacht hatte, blitzten ihm wieder ein paar Fotografen ins Gesicht, und auf dem Korridor vor den hohen Glasscheiben wurde es unruhig. Inzwischen hatten nämlich die Mädchen und Jungen, die gerade noch von der Terrasse heruntergejubelt hatten, den ganzen Flugplatz abgegrast, weil sie herausfinden wollten, wohin der „blinde Passagier“ auf einmal verschwunden war. Und jetzt tauchten die ersten auf und wollten die Halle stürmen. Aber da stellten sich gleich ein paar Flughafenbeamte in dunkelblauer Uniform vor die Türen.
„Sehr interessant“, sagte gerade ein Reporter, der noch ziemlich jung war. „Und wie war das mit deinem Wintermantel, den man in Rio gefunden hat?“
„Dazu müßte ich eine lange Geschichte erzählen“, sagte Peter Schimmelpfennig und sah zu den großen Glasscheiben hinüber. Dort drückte sich jetzt ein Kopf neben dem anderen, und es sah aus, als blickte man auf ein Aquarium, in dem sich alle Fische an einer Seite versammelt hatten.
„Entschuldigung“, sagte Peter Schimmelpfennig in diesem Augenblick und sprang auf. Er hatte hinter der Glasscheibe den Sheriff mit ein paar Jungen aus der Untertertia entdeckt.
Kurz darauf gab einer der blauuniformierten Beamten im Korridor bekannt, daß die Untertertianer der Eberhard-Ludwig-Schule ausnahmsweise eintreten dürften.
„Besten Dank“, sagte der Sheriff, als er sich an dem Beamten vorbeiklemmte, und als er dann Peter Schimmelpfennig die Hand gab, meinte er: „Da bist du ja wieder, du Knalltüte. Du hast einen ganz schönen Wind gemacht.“
Der kleine Ulli Wagner sagte: „Herzlichen Glückwunsch“, und der lange Kiekebusch grinste nur. Auch die anderen waren ein wenig verlegen, weil die Herren von den Zeitungen wie lauter Studienräte in ihren Sesseln saßen. Zuletzt hatte sich noch ein Junge mit hereingeschmuggelt, der eigentlich gar nicht dazugehört hätte.
„Aber Untertertianer bin ich ja auch“, meinte er, „allerdings vom Maximilianeum.“ Er war etwas dick und trug eine Brille. „Ich heiße Pistorius.“
„Du bist der mit der giftgrünen Badehose“, erinnerte sich Peter Schimmelpfennig.
„Wir Zehnmeterspringer müssen zusammenhalten“, grinste der Junge namens Pistorius. „Ich finde das richtig prima, was du gemacht hast.“
„Ich glaube, da ist schon wieder jemand an der Tür“, sagte die Großmutter in diesem Augenblick.
„Mich beißt der Affe“, rief der Sheriff. Drüben an der Tür verhandelten nämlich Oberstudiendirektor Freitag und Studienrat Semmelroth mit dem Beamten.
„Das ist unser Schuldirektor“, bemerkte Peter Schimmelpfennig, „und unser Klassenlehrer.“
„Immer rein in die gute Stube“, rief Dr. Liesegang und ging den beiden Herren entgegen.
„Hoffentlich stören wir nicht“, sagte Direktor Freitag. „Aber mein Kollege Semmelroth und ich, wir dachten, daß es das besondere Ereignis angemessen erscheinen läßt, wenn wir den Untertertianer Schimmelpfennig am Flugplatz begrüßen.“
„Es ist angemessen. Es ist...“ trompetete der Chef des Abendblattes. „Sie sind herzlich willkommen, meine Herren. Darf ich auch Ihnen heiße Würstchen anbieten?“
Oberstudiendirektor Freitag hielt eine kleine Begrüßungsansprache, bevor er Platz nahm, und die Herren von den Zeitungen applaudierten freundlich. Anschließend wollten sie natürlich wissen, wie denn der „blinde Passagier“ so als Schüler sei.
„Der neueste Stand wäre als durchaus befriedigend zu bezeichnen“, meinte Studienrat Semmelroth. Er schlug die Beine übereinander und trank einen Schluck Coca-Cola. „Kurz bevor der junge Mann seine Weltreise angetreten hat, schrieben wir zum Beispiel noch eine englische Arbeit.“
„Ein Sonntag in London“, bemerkte der kleine Ulli Wagner. „Ich erinnere mich düster.“ Die anwesenden Untertertianer kicherten.
„Und, darf ich fragen?“ meinte Peter Schimmelpfennig leise.
„Du darfst“, lächelte Studienrat Semmelroth. „Immerhin liegst du unter den ersten zehn. Leider hast du zweimal den gleichen Fehler gemacht. Commendation schreibt sich mit zwei ,m’ und entsprechend auch das Verb to commend .“
Eine Stunde später ging es in Dr. Liesegangs weißem Ford in die Steinfeldstraße. Die Großmutter saß vorne neben dem Chef des Abendblattes, und Peter Schimmelpfennig saß neben seiner Mutter im Fond. Den Käfig mit Neco hatte er auf den Knien.
Der Wagen fuhr gerade über die
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