Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
mit enormer Geschwindigkeit, so schnell, daß nach einigen Tausenden von Jahren ihre Feder fast abgenutzt ist und die Uhr nicht mehr verläßlich geht. Sie ist für das Datieren von organischem Material auf der archäologisch/historischen Zeitskala nützlich, wo wir mit Hunderttausenden oder ein paar Tausenden von Jahren zu tun haben, aber für die evolutionäre Zeitskala, in der wir mit Millionen Jahren rechnen, ist sie unbrauchbar.
Für die evolutionäre Zeitskala sind andere Uhrsorten, etwa die Kalium-Argon-Uhr, geeignet. Die Kalium-Argon-Uhr geht so langsam, daß sie für die archäologisch/historische Zeitskala so unbrauchbar ist, als versuchte man den 100-m-Lauf eines Schnellläufers mit dem Stundenzeiger einer gewöhnlichen Uhr zu stoppen. Aber zur Messung des Mega-Marathonlaufes der Evolution andererseits ist so etwas wie die Kalium-Argon-Uhr genau richtig. Weitere radioaktive »Stoppuhren«, von denen jede ihre eigene charakteristische Rate des Langsamerwerdens hat, sind die Rubidium-Strontium- und die Uran-Thorium-Blei- Uhr. Dieser Exkurs zeigt uns also, daß ein Paläontologe, wenn er ein Fossil findet, gewöhnlich wissen kann, wann auf einer absoluten Zeitskala von Millionen von Jahren das Tier gelebt hat. Wir begannen diese Erörterung über Datierung und Zeitmessung ursprünglich, so wird der Leser sich erinnern, weil wir an den Erwartungen über das Fossilienmaterial interessiert waren, die verschiedene Sorten von Evolutionisten - »Intervallisten«, »Kontinuisten« usw. - haben müssen. Es ist nunmehr an der Zeit, uns mit den verschiedenen Erwartungen zu befassen.
Nehmen wir zuerst an, die Natur sei den Paläontologen gegenüber außerordentlich nett gewesen (oder vielleicht auch ganz und gar nicht nett, wenn man an den Berg von Arbeit denkt, die damit verbunden wäre), ihnen ein Fossil jedes jemals lebenden Tieres zu hinterlassen. Wenn wir tatsächlich eine derartige vollständige Fossilienaufzeichnung betrachten könnten, sorgfältig in chronologischer Reihenfolge angeordnet, was sollten Evolutionsbiologen zu sehen erwarten? Nun, wenn wir »Kontinuisten« sind in dem Sinne, wie ich sie in der Parabel von den Kindern Israels karikiert habe, so sollten wir etwa folgendes erwarten: Chronologische Fossiliensequenzen werden immer glatte evolutionäre Trends mit konstanten Veränderungsraten zeigen. Mit anderen Worten, wenn wir drei Fossilien haben, A, B und C, von denen A ein Vorfahr von B ist und B ein Vorfahr von C, so sollten wir erwarten, daß B in seiner Gestalt proportional in der Mitte zwischen A und C liegt. Wenn etwa A eine Beinlänge von 40 Zentimetern hätte und C eine Beinlänge von 80 Zentimetern, so sollten Bs Beine eine mittlere Länge zwischen beiden Werten haben, wobei die exakte Länge proportional zu der Zeit sein müßte, die zwischen der Zeit, in der A, und der Zeit, in der B existierte, vergangen ist.
Wenn wir die Karikatur des Kontinuismus bis zu ihrer logischen Schlußfolgerung zu Ende denken, können wir - geradeso, wie wir die Durchschnittsgeschwindigkeit der Israeliten mit 20 Metern pro Tag berechnet haben - die Durchschnittsrate des Längerwerdens der Beine in der evolutionären Stammesgeschichte von A zu C errechnen. Wenn, sagen wir einmal, A 20 Millionen Jahre vor C lebte (um es ungefähr in die Realität einzupassen: der älteste bekannte Angehörige der Familie der Pferde, Hyracotherium, lebte vor etwa 50 Millionen Jahren und hatte die Größe eines Terriers), so haben wir es mit einer evolutionären Wachstumsrate von 40 Beinzentimetern pro 20 Millionen Jahre, das heißt mit zwei Millionstel Zentimeter pro Jahr, zu tun. Nun gehen wir davon aus, daß die Karikatur eines Kontinuisten glaubt, die Beine wüchsen im Lauf der Generationen wirklich mit eben dieser geringen Rate: nehmen wir an, acht Millionstel Zentimeter pro Generation, wenn wir eine pferdeähnliche Generationsspanne von etwa vier Jahren annehmen. Wir gehen davon aus, der Kontinuist glaube, während all jener Millionen von Generationen hätten Individuen mit Beinen, die acht Millionstel Zentimeter länger sind als der Durchschnitt, einen Vorteil gegenüber Individuen mit durchschnittlich langen Beinen. Das zu glauben ist gleichbedeutend mit der Überzeugung, daß die Kinder Israels jeden Tag 20 Meter weit durch die Wüste gezogen seien.
Dasselbe trifft sogar auf eine der schnellsten bekannten evolutionären Veränderungen zu, auf das Anwachsen des menschlichen Schädels von Australopithecus -ähnlichen
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