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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Abänderung eines früheren Flugzeugs, der DC-8, entstand. Es ist eine DC-8, aber mit verlängertem Rumpf. Eine Verbesserung war sie insofern, weil sie mehr Fahrgäste transportieren konnte als die ursprüngliche DC-8. Das Strecken bringt einen deutlichen Zuwachs an Länge und ist in diesem Sinne einer Makromutation vergleichbar. Noch interessanter ist: Der Zuwachs an Länge ist auf den ersten Blick eine komplizierte Sache. Um den Rumpf eines Flugzeugs zu verlängern, genügt es nicht, einfach ein Stück Kabinenraum anzufügen. Man muß auch unzählige Kabelkanäle, Kabel, Luftschläuche und Elek-troleitungen verlängern. Man muß eine Menge zusätzlicher Sitze, Aschenbecher, Leselampen, 12kanaliger Musikempfänger und Frischluftdüsen einbauen. Auf den ersten Blick scheint eine gestreckte DC-8 sehr viel komplexer als eine normale DC-8, aber stimmt das wirklich? Die Antwort ist nein, zumindest insofern, als die »neuen« Dinge in dem verlängerten Flugzeug einfach »mehr von demselben« sind. Die Biomorphe von Kapitel 3 zeigen häufig Makromutationen vom Typ der gestreckten DC-8.
    Was hat das mit Mutationen bei echten Tieren zu tun? Die Antwort ist, daß einige echte Mutationen große Veränderungen hervorrufen, die der Veränderung der DC-8 zur gestreckten Version sehr ähnlich sind, und einige dieser Mutationen, obgleich in gewissem Sinne »Makro«mutationen, sind definitiv in die Evolution eingebaut worden. Schlangen zum Beispiel haben alle mehr Wirbel als ihre Vorfahren. Wir könnten dessen sicher sein, auch wenn es keine Fossilien gäbe, denn Schlangen haben eine viel größere Zahl von Wirbeln als ihre überlebenden Verwandten. Außerdem haben verschiedene Arten von Schlangen eine unterschiedliche Zahl von Wirbeln, was bedeutet, daß die Wirbelzahl sich im Verlauf der Evolution seit dem gemeinsamen Vorfahr geändert haben muß, und noch dazu recht häufig.
    Nun, um die Wirbelzahl eines Tieres zu verändern, muß man mehr tun als einfach nur einen zusätzlichen Knochen hineinquetschen. Verbunden mit jedem Wirbel ist ein Satz Nerven, ein Satz Blutgefäße, ein Satz Muskeln usw., geradeso wie jede Sitzreihe in einem Flugzeug einen Satz Kissen, einen Satz Kopfstützen, einen Satz Kopfhöreranschlüsse, einen Satz Leselampen mit den dazugehörigen Kabeln usw. hat. Der mittlere Teil eines Schlangenrumpfes besteht geradeso wie der mittlere Teil eines Flugzeugrumpfes aus einer Reihe von Segmenten, von denen viele absolut gleich sind, so komplex sie einzeln gesehen auch sein mögen. Daher erfordert das Hinzufügen neuer Segmente nichts anderes als einen einfachen Vervielfältigungsprozeß. Da bereits die genetische Maschinerie zur Herstellung eines Schlangensegments existiert - eine genetische Maschinerie von großer Komplexität, die aufzubauen die schrittweise, graduelle Evolution viele Generationen gebraucht hat -, können neue identische Segmente leicht durch einen einzigen Mutationsschritt hinzugefügt werden. Wenn wir uns Gene als »Instruktionen an einen in der Entwicklung befindlichen Embryo« vorstellen, so mag ein Gen für die Einfügung eines zusätzlichen Segments vielleicht einfach sagen: »Mehr von demselben hier!« Ich stelle mir vor, daß die Anweisungen für den Bau der ersten gestreckten DC-8 irgendwie ähnlich aussahen.
    Wir können sicher sein, daß sich bei der Evolution von Schlangen die Zahl der Wirbel in ganzen Zahlen veränderten, nicht in Bruchteilen. Wir können uns keine Schlange mit 26,3 Wirbeln vorstellen. Sie besaß entweder 26 oder 27, und es ist klar, daß es Fälle gegeben haben muß, wo der Nachkomme einer Schlange mindestens einen ganzen Wirbel mehr hatte als seine Eltern - einen ganzen zusätzlichen Satz von Nerven, Blutgefäßen, Muskeln usw. In gewissem Sinn war diese Schlange dann also ein Makromutant, aber nur in dem schwachen Sinn der »gestreckten DC 8«. Es ist leicht zu glauben, daß einzelne Schlangen mit einem halben Dutzend mehr Wirbeln als ihre Eltern in einem einzigen Mutationsschritt entstanden sein können. Das »Argument der Komplexität« gegen saltationistische Evolution ist für Makromutationen vom Typ der gestreckten DC 8 nicht gültig, weil sie, wenn wir uns die Natur des Wandels im einzelnen ansehen, im realen Sinn überhaupt keine echten Makromutationen sind. Sie sind nur dann Makromutationen, wenn wir naiv auf das Endprodukt, das ausgewachsene Individuum, sehen. Wenn wir uns die Prozesse der Embryoentwicklung anschauen, erweisen sie sich als Mikromutationen in

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