Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
Einstellung schlechter. Wenn wir sie aber zufällig einen zehntel Millimeter nach oben bewegen, wird die Scharfeinstellung besser. Da wir die Linse aufs Geratewohl in irgendeine Richtung bewegen, sind die Chancen für jede dieser beiden Möglichkeiten ein halb. Je geringer die Anpassungsbewegung im Verhältnis zum anfänglichen Fehler, um so stärker wird sich die Chance der Verbesserung ein halb annähern. Damit ist der zweite Teil von Fishers Aussage gerechtfertigt.
    Nehmen wir nun aber an, wir bewegen den Tubus des Mikroskops ein großes Stück (gleichbedeutend mit einer Makromutation) ebenfalls in eine zufällige Richtung; nehmen wir an, wir bewegen es ganze zwei Zentimeter. Nun kommt es nicht darauf an, in welche Richtung wir die Linse bewegen, hinauf oder hinunter, wir werden die Scharfeinstellung immer schlechter machen als zuvor. Wenn wir sie zufällig nach unten bewegen, wird sie um zwei Zentimeter und einen Millimeter von ihrer idealen Position entfernt sein (und wahrscheinlich den Objektträger zerstanzt haben). Wenn wir sie zufällig nach oben bewegen, wird sie 1,9 Zentimeter von ihrer idealen Position entfernt sein. Vor dieser Verstellung war sie nur einen Millimeter von der idealen Stellung entfernt, so daß in jeder Richtung unsere »makromutationale« Verstellung eine schlechte Idee war. Wir haben die Berechnungen für eine sehr große Bewegung (»Makromutation«) und für eine sehr kleine Bewegung (»Mikromutation«) durchgeführt. Natürlich können wir dieselbe Rechnung für eine Bandbreite dazwischenliegender Bewegungsgrößen durchführen, aber das ist nicht nötig. Ich glaube, es ist inzwischen wirklich ausreichend deutlich: Je kleiner die Verstellung, um so näher kommen wir dem extremen Fall, in dem die Chancen der Verbesserung ein halb sind; und je größer die Verstellung, um so mehr nähern wir uns dem Extremfall an, in dem die Chancen einer Verbesserung gleich Null sind.
    Der Leser wird bemerkt haben, daß diese Beweisführung von der anfänglichen Annahme abhängt, daß das Mikroskop bereits fast scharf eingestellt war, bevor wir damit anfingen, unsere willkürlichen Anpassungen vorzunehmen. Wenn das Mikroskop zu Beginn vier Zentimeter von der Scharfeinstellung entfernt war, dann ist die Chance, daß eine zufällige Veränderung von zwei Zentimetern eine Verbesserung darstellt, gleich 50 Prozent, geradeso wie dies auf eine zufällige Veränderung von einem Zehntel Millimeter zutrifft. In diesem Fall scheint die »Makromutation« den Vorteil zu haben, daß sie das Mikroskop schneller an den Punkt der Scharfeinstellung bringt. Fishers Argument wird sich hier natürlich auf »Megamutationen« in Form einer Verstellung von, sagen wir einmal, zehn Zentimetern in eine zufällige Richtung beziehen.
    Warum war nun aber Fisher die anfängliche Annahme erlaubt, das Mikroskop sei zu Beginn schon fast scharf eingestellt? Die Annahme ergibt sich aus der Rolle des Mikroskops in dem Beispiel. Das Mikroskop nach seiner zufälligen Verstellung steht für ein mutiertes Tier. Vor seiner zufälligen Verstellung steht es für den normalen, nicht mutierten Elter des angenommenen mutanten Tieres. Da es ein Elter ist, muß es lange genug gelebt haben, um sich zu reproduzieren, und daher kann es nicht allzu weit von einem guten Angepaßtsein entfernt sein. Aus demselben Grunde kann das Mikroskop vor dem aufs Geratewohl erfolgenden Ruck nicht allzu weit von der Scharfeinstellung entfernt gewesen sein, sonst hätte das Tier, für das es in dem Beispiel steht, überhaupt nicht überleben können. Es ist nur ein Vergleich, und es hat keinen Zweck, darüber zu streiten, ob »so weit« zwei Zentimeter, ein Millimeter oder ein hundertstel Millimeter ist. Der springende Punkt ist: Wenn wir Mutationen von ständig zunehmender Größe betrachten, kommt ein Punkt, wo, je größer die Mutation, es um so weniger wahrscheinlich ist, daß sie einen Vorteil bringt. Wenn wir dagegen Mutationen von immer geringerer Größe betrachten, so wird ein Punkt kommen, wo die Chance einer vorteilhaften Mutation 50 Prozent beträgt.
    Die Diskussion darüber, ob Makromutationen wie Antennapedia jemals vorteilhaft sein könnten (oder zumindest nicht unbedingt schädlich sein müßten) und evolutionäre Veränderungen auslösen würden, dreht sich daher darum, wie »makro« die zu betrachtende Mutation ist. Je mehr »makro« sie ist, um so wahrscheinlicher ist sie schädlich, und um so weniger wahrscheinlich wird sie in die Evolution einer Art

Weitere Kostenlose Bücher