Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Zufallssprung im genetischen Raum mit dem Tod enden wird, außerordentlich groß. Selbst bei einem kleinen Zufallssprung in den genetischen Raum hinein besteht eine nicht zu verachtende Wahrscheinlichkeit, daß er mit dem Tod endet. Aber je kleiner der Sprung, um so weniger wahrscheinlich ist der Tod, und um so wahrscheinlicher ist es, daß der Sprung zu einer Verbesserung führt. Wir werden auf dieses Thema noch in einem späteren Kapitel zurückkommen.
Weiter möchte ich mit der Ableitung einer Moral aus dem Land der Biomorphe nicht gehen. Ich hoffe, es war nicht zu abstrakt. Es gibt noch einen anderen mathematischen Raum, nicht mit neungenigen Biomorphen, sondern mit Tieren aus Fleisch und Blut angefüllt, die aus Milliarden von Zellen bestehen, von denen wiederum jede Zehntausende von Genen enthält. Das ist nicht der Raum der Biomorphe, sondern der wirkliche genetische Raum. Die echten Tiere, die wirklich jemals auf der Erde gelebt haben, sind nur eine winzige Untergruppe aller Tiere, die theoretisch existieren könnten. Diese realen Tiere sind das Resultat einer sehr kleinen Zahl von Evolutionsbahnen durch den genetischen Raum. Die große Mehrheit theoretischer Bahnen durch den tierischen Raum bringt unmögliche Monster hervor. Hier und da unter den hypothetischen Monstern verstreut finden wir die realen Tiere, jedes von ihnen eingepfercht in seinem ihm eigenen, einzigartigen Platz im genetischen Hyperraum. Jedes reale Tier ist von einer kleinen Gruppe von Nachbarn umgeben, von denen die meisten nie existiert haben, ein paar aber sind seine Vorfahren, seine Nachkommen und seine Vettern und Basen.
An irgendeinem Ort in diesem gewaltigen mathematischen Raum sitzen Menschen und Hyänen, Amöben und Erdferkel, Plattwürmer und zehnarmige Tintenfische, Dodos und Dinosaurier. Theoretisch könnten wir uns, wenn wir genügend von der Gentechnik verstünden, von jedem beliebigen Punkt im tierischen Raum zu jedem beliebigen anderen Punkt begeben. Von jedem beliebigen Startpunkt aus könnten wir uns so durch das Labyrinth bewegen, um Dodos, Tyrannosaurier und Trilo- biten wiederzuerschaffen. Wenn wir nur wüßten, mit welchen Genen wir herumhantieren, welche Chromosomenstücke wir verdoppeln, invertieren oder weglassen müßten. Ich bezweifle, daß wir dafür jemals genug wissen werden, aber diese lieben toten Geschöpfe lungern für immer und ewig in ihren eigenen Ecken jenes gewaltigen genetischen Hyperraums herum und warten darauf, gefunden zu werden, wenn wir nur das Wissen hätten, um den richtigen Kurs durch das Labyrinth zu nehmen. Wir könnten sogar durch selektives Taubenzüchten eine exakte Rekonstruktion eines Dodos entwickeln, auch wenn wir eine Million Jahre leben müßten, um das Experiment zu Ende zu führen. Aber für den, der daran gehindert wird, wirklich zu reisen, ist die Vorstellungskraft kein schlechter Ersatz. Für die, die wie ich keine Mathematiker sind, kann der Computer ein mächtiger Freund der Vorstellungskraft sein. Wie die Mathe-
matik erweitert der Computer das Vorstellungsvermögen nicht nur, er diszipliniert und kontrolliert es auch.
Kapitel 4 Bahnen durch den tierischen Raum ziehen
Wie wir in Kap. 2 gesehen haben, können viele Leute kaum glauben, daß so etwas wie das Auge, Paleys beliebtes Beispiel, so komplex und so perfekt entworfen und aus so vielen ineinandergreifenden arbeitenden Teilen bestehend, durch eine graduelle Aufeinanderfolge schrittweiser Veränderungen aus kleinen Anfängen entstanden sein könnte. Kehren wir nun im Licht der neuen Erkenntnisse, die wir aus den Biomorphen gewonnen haben, zu den Problemen zurück und beantworten die folgenden zwei Fragen:
1. Ist es möglich, daß das menschliche Auge unmittelbar und in einem einzigen Schritt aus überhaupt keinem Auge entstanden ist?
2. Ist es möglich, daß das menschliche Auge unmittelbar aus etwas entstanden ist, das geringfügig verschieden von ihm selbst war und das wir X nennen können?
Die Antwort auf Frage 1 ist eindeutig ein entschiedenes Nein. Die Chancen gegen eine positive Antwort auf Frage 1 sind viele millionenmal größer als die Anzahl der Atome im Universum. Es bedürfte eines gigantischen und verschwindend unwahrscheinlichen Sprunges quer durch den genetischen Hyperraum. Die Antwort auf Frage 2 ist ein ebenso eindeutiges Ja, vorausgesetzt, daß der Unterschied zwischen dem heutigen Auge und seinem unmittelbaren Vorgänger X klein genug ist, mit anderen Worten, daß sie im Raum aller
Weitere Kostenlose Bücher