Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
vielleicht oder einen Abgrund.
Jeder weiß aus eigener Erfahrung, beispielsweise in dunklen Nächten, daß es eine unmerklich abgestufte kontinuierliche Reihe gibt, von völliger Blindheit bis zu vollkommener Sicht, und daß jeder Schritt in dieser Reihe entscheidende Vorteile bringt. Wenn wir die Welt durch schlecht bis fortschreitend scharf eingestellte Ferngläser betrachten, können wir uns rasch davon überzeugen, daß die abgestufte Reihe in der Einstellungsschärfe existiert und daß jeder Schritt in der Reihe einen Fortschritt gegenüber dem vorherigen darstellt. Durch fortschreitende Betätigung der Farbregulierung an einem Farbfernseher können wir uns davon überzeugen, daß sich eine abgestufte Reihe vom Schwarzweißbild bis hin zum vollen Farbbild verbessert. Die Blende unserer Iris, die die Pupille öffnet und schließt, verhindert, daß wir von zu hellem Licht geblendet werden, während sie uns bei schwachem Licht das Sehen gestattet. Wir alle wissen, wie es ist, keine Irisblende zu besitzen, wenn wir momentan durch die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Autos geblendet sind. So unangenehm und sogar gefährlich dieses Blenden sein kann, es bedeutet immer noch nicht, daß das Auge zu funktionieren aufhört! Die Behauptung, daß »das Auge entweder als Ganzes funktioniert oder überhaupt nicht«, erweist sich für jeden, der nur zwei Sekunden lang an seine eigene persönliche Erfahrung denkt, nicht nur als falsch, sondern sogar als hanebüchen falsch.
Kehren wir zu unserer Frage 5 zurück. Wenn wir die Glieder in der Reihe von Xen betrachten, die das menschliche Auge mit dem augenlosen Zustand verbindet, ist es dann glaubhaft, daß jedes von ihnen ausreichend gut funktioniert hat, um dem betreffenden Tier bei Überleben und Fortpflanzung zu helfen? Wir haben jetzt gesehen, wie dumm die Annahme des Evolutionsgegners ist, die Antwort müsse ein klares Nein sein. Aber ist die Antwort ja? Das ist nicht so eindeutig, aber ich glaube, sie ist dennoch ja. Nicht nur ist klar, daß ein Teil eines Auges besser ist als überhaupt kein Auge. Wir können auch bei rezenten Tieren eine plausible Reihe von Zwischenstufen finden. Das heißt natürlich nicht, daß diese rezenten Zwischenstufen tatsächlich Ahnentypen verkörpern. Aber es zeigt doch, daß intermediäre Typen funktionsfähig sind.
Einige einzellige Tiere besitzen einen lichtempfindlichen Punkt mit einer kleinen Pigmentmembran dahinter. Die Membran schützt ihn vor Licht aus einer bestimmten Richtung, was dem Tier eine »Vorstellung« davon gibt, woher das Licht kommt. Unter den vielzelligen Tieren gibt es mehrere Typen von Würmern und einige Schalentiere, die eine ähnliche Einrichtung besitzen; allerdings sind die pigmentbeschichteten lichtempfindlichen Zellen in einer kleinen Grube angelegt, wodurch eine geringfügig bessere Richtungsbestimmung möglich wird, da jede Zelle selektiv abgeschirmt ist von Lichtstrahlen, die von ihrer eigenen Seite in die Grube fallen. In einer kontinuierlichen Reihe, die von einer flachen Fläche lichtempfindlicher Zellen über eine flache Mulde bis hin zu einer tiefen Grube reicht, wäre jeder Schritt, wie immer klein (oder groß) er auch sein mag, eine optische Verbesserung. Wenn ich nun eine Grube sehr tief mache und die Seiten umstülpe, erhalte ich schließlich eine linsenlose Lochkamera. Es gibt eine kontinuierlich abgestufte Reihe von der flachen Mulde bis zur Lochkamera (zur Verdeutlichung betrachte man die ersten Generationen der Evolutionsserie in Abb. 4).
Eine Lochkamera erzeugt ein klares Bild (Bildsehen); je kleiner das Loch, um so schärfer (aber dunkler) das Bild; je größer das Loch, um so lichtstärker (aber unschärfer) das Bild. Das schwimmende Weichtier Nautilus, eine recht sonderbare, dem zehnarmigen Tintenfisch ähnliche Kreatur, die wie die ausgestorbenen Ammoniten (siehe den »Kopffüßer mit Schale« in Abb. 5) in einer Schale lebt, besitzt ein Lochkamera-Paar als Augen. Das Auge hat im wesentlichen dieselbe Form wie das unsrige, aber es besitzt keine Linse, und die Pupille ist einfach ein Loch, durch das Meerwasser in das hohle Innere des Auges hineinkommt. Tatsächlich ist Nautilus so etwas wie ein »Rätsel in eigener Sache«. Warum hat es in all den Hunderten von Millionen Jahren, seit seine Vorfahren zum ersten Mal das Lochkamera-Auge erfanden, niemals das Prinzip der Linse entdeckt? Eine Linse ermöglicht es, gleichzeitig ein scharfes und helles Bild zu erhalten. Beunruhigend an Nautilus
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