Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
erst entstanden sind und noch keine Zeit gehabt haben, zu verdampfen. Wir scheinen es mit zwei Sorten von »Existenzwürdigkeit« zu tun zu haben: die Sorte des Tautropfens, die man als »leicht entstehend, aber nicht sehr dauerhaft«
bezeichnen kann, und die Sorte des Felsens, die sich bezeichnen läßt als »nicht sehr wahrscheinlich, daß sie entsteht, aber wahrscheinlich, daß sie lange dauert, wenn sie einmal da ist«. Felsen haben Dauerhaftigkeit, und Tautropfen haben »Entstehungsfähigkeit« (ich habe versucht, mir ein weniger häßliches Wort auszudenken, aber es fiel mir keins ein).
DNS bekommt das Beste aus beiden Welten. DNS-Moleküle selbst, als physische Einheiten, sind wie Tautropfen. Unter den richtigen Bedingungen entstehen sie mit schneller Rate, aber keins von ihnen hat je lange existiert, und alle werden sie innerhalb von ein paar Monaten zerstört werden. Sie sind nicht dauerhaft wie Felsen. Aber die Muster in ihren Sequenzen sind so dauerhaft wie der härteste Fels. Sie haben, was man braucht, um Millionen von Jahren zu existieren, und deshalb sind sie heute noch hier. Der wesentliche Unterschied zu Tautropfen ist, daß neue Tautropfen nicht von alten Tautropfen gezeugt werden. Tautropfen sehen zweifelsohne anderen Tautropfen ähnlich, aber sie ähneln nicht spezifisch ihrem eigenen »Eltern«-Tautropfen. Anders als DNS-Moleküle bilden sie keine Stammbäume, und sie können daher keine Botschaften weitergeben. Tautropfen entstehen durch spontane Zeugung, DNS-Botschaften durch Replikation.
Gemeinplätze wie »Die Welt ist voller Dinge, die das haben, was man braucht, um auf der Welt zu sein« sind trivial, fast töricht, solange wir sie nicht auf eine besondere Sorte von Dauerhaftigkeit anwenden, auf Dauerhaftigkeit in Gestalt von Stammbäumen multipler Kopien. DNS-Botschaften besitzen Dauerhaftigkeit von anderer Art als die der Felsen und Entstehungsfähigkeit von anderer Art als die der Tautropfen. Für DNS-Moleküle nimmt der Ausdruck »was man braucht, um auf der Welt zu sein« eine Bedeutung an, die alles andere als offensichtlich und tautologisch ist. »Was man braucht, um auf der Welt zu sein« erweist sich als etwas, das die Fähigkeit einschließt, Maschinen wie dich und mich zu bauen, die kompliziertesten Dinge im bekannten Universum. Sehen wir uns an, wie das geht.
Im wesentlichen ist der Grund der, daß die Merkmale der DNS, die wir identifiziert haben, grundlegende Zutaten für jeden Prozeß kumulativer Selektion sind. Bei unseren Computermodellen in Kapitel 3 haben wir absichtlich die wichtigsten Zutaten der kumulativen Selektion in den Computer eingebaut. Wenn auf der Welt wirklich kumulative Selektion stattfinden soll, so müssen einige Gebilde entstehen, die diese grundlegenden Zutaten als Merkmale haben. Sehen wir uns nun an, welches die Zutaten sind. Dabei behalten wir die Tatsache im Gedächtnis, daß dieselben Zutaten, zumindest in irgendeiner rudimentären Form, spontan auf der Erde aufgetreten sein müssen, sonst hätte kumulative Selektion und somit das Leben auf der Erde gar nicht erst anfangen können. Wir sprechen hier nicht spezifisch über DNS, sondern über die grundlegenden Zutaten, damit irgendwo im Universum Leben entsteht.
Als der Prophet Ezechiel im Tal der Knochen war, prophezeite er den Knochen und brachte sie dazu, sich miteinander zu verbinden. Dann predigte er zu ihnen und legte Fleisch und Sehnen um sie herum. Aber da war immer noch kein Atem in ihnen. Die lebenswichtige Zutat, das Leben, fehlte. Ein toter Planet besitzt Atome, Moleküle und größere Klumpen von Materie, die sich nach den Gesetzen der Physik aufs Geratewohl gegeneinanderdrängeln und -drücken. Manchmal führen die Gesetze der Physik dazu, daß sich die Atome und Moleküle zusammenfügen wie Ezechiel trockene Knochen, manchmal führen sie dazu, daß sie auseinanderbrechen. Es können sich recht große Zusammenballungen von Atomen bilden, und sie können zerfallen und wieder auseinanderbrechen. Aber es ist immer noch kein Atem in ihnen.
Ezechiel rief die vier Winde an und bat sie, den trockenen Knochen lebenden Atem einzublasen. Was ist die lebenswichtige Zutat, die ein toter Planet wie die urzeitliche Erde haben muß, um schließlich lebendig zu werden wie unser Planet? Es ist nicht Atem, nicht Wind, nicht irgendein Elixier oder Trank. Es ist überhaupt keine Substanz, es ist eine Eigenschaft, die Eigenschaft der Selbstreplikation. Das ist die grundlegende Zutat der kumulativen
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