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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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durchaus vorstellbar, dass der Mörder die sehr kleine Eloisa Gómez hier hinübergehoben hatte.
    »Das ist schon das zweite Mal, dass er das mit uns macht«, murmelte Falcón vor sich hin.
    »Uns Rätsel über den Tathergang aufgibt?«, fragte Ramírez.
    »Ja, das ist eines seiner Talente … die Ermittlung zu verzögern.«
    »Und wir müssen immer die doppelte Arbeit leisten«, beschwerte sich Ramírez.
    »Ja, so etwas hat mein Vater immer über Genies gesagt … Sie beherrschen die Kunst, alles um sich herum so langsam erscheinen zu lassen.«

    Um halb sieben waren Falcón und Ramírez auf der Alameda, trafen jedoch auf dem Platz keines der Mädchen aus Eloisas Gruppe an. Also gingen sie zuerst zu ihrem Zimmer in der Calle Joaquín Costa. Falcón klopfte an die Tür des dicken Mädchens, das den Schlüssel zu Eloisas Zimmer hatte, und in einem blauen Frotteebademantel und rosa Plüschpantoffeln kam sie an die Tür. Ihre Augen waren vom Schlaf verquollen, doch als sie die beiden Polizisten sah, war sie sofort hellwach. Falcón fragte nach dem Schlüssel und forderte sie auf, darüber nachzudenken, wann sie ihre Freundin zum letzten Mal gesehen hatte; die anderen Mädchen sollten das Gleiche tun. Sie fragte gar nicht erst, was passiert war, als sie ihm den Schlüssel gab.
    Als sie die Tür öffneten, fiel ihr Blick als Erstes auf den lächerlichen Plüschpanda. Die beiden Männer wandten sich ab und betrachteten die erbärmliche Hinterlassenschaft eines kleinen, harten Lebens. Ramírez durchwühlte den billigen Nippes auf ihrem Nachttisch.
    »Was tun wir hier?«, fragte er.
    »Wir sehen uns bloß um.«
    »Glauben Sie, dass er hier war?«
    »Zu riskant«, wandte Falcón ein. »Wir brauchen Adresse und Telefonnummer ihrer Schwester. Der Panda ist für ihre Nichte.«
    »So einen habe ich letztes Jahr auf der Feria für meine Tochter gewonnen«, sagte Ramírez und nickte dem stummen Gast zu. »Sie liebt ihn.« Dann wies er auf zwei Kontaktlinsen auf dem Nachttisch. »Doch nicht ganz so perfekt, ihre Sicht.«
    »Sie kannte ihn schon vorher«, Falcón ging nicht auf Ramírez’ Bemerkung ein. »Da bin ich mir sicher. Denken Sie an die ganzen Filmaufnahmen zu La Familia Jiménez. Er hat ihn wieder und wieder zu demselben Mädchen gehen sehen und wollte wahrscheinlich wissen, warum.«
    »Wahrscheinlich konnte sie am besten blasen«, sagte Ramírez grob.
    »Es muss einen Grund dafür geben.«
    »Sie sah sehr jung aus. Vielleicht mochte er das.«
    »Sein Sohn hat erzählt, dass er sich in seine erste Frau verliebt hat, als sie dreizehn war.«
    »Wie auch immer, Inspector Jefe«, sagte Ramírez. »Das sind doch alles Spekulationen.«
    »Was haben wir denn sonst?«, fragte Falcón. »Bei der Spur, die er hinterlässt, brauchen wir jedenfalls keine weiteren Indizien.«
    »Laut Juez Calderón haben wir zumindest weiterhin eine Hauptverdächtige«, sagte Ramírez.
    »Ich habe sie nicht vergessen, Inspector.«
    »Wenn sie jemanden für die Tat engagiert hat und jetzt feststellt, dass sie einen Irren von der Leine gelassen hat, könnte man sie vielleicht davon überzeugen, dass sie selbst auch nicht mehr sicher ist«, sagte Ramírez. »Ich bin nach wie vor der Ansicht, wir sollten sie in die Mangel nehmen.«
    Die Frauen aus Eloisas Gruppe marschierten an der Tür vorbei zum Zimmer des dicken Mädchens. Ramírez fand Eloisas Adressbuch, und gemeinsam gingen die beiden Polizisten den Flur hinunter zu dem Zimmer, wo die Mädchen dicht gedrängt beieinander hockten und rauchten.
    Falcón berichtete ihnen, was geschehen war. Das einzige Geräusch war das Klicken billiger Feuerzeuge und das intensive Saugen an Zigaretten. Er fragte, ob es irgendwen gab, den Eloisa außerhalb ihres Broterwerbs traf, und erntete spöttisches Gelächter. Auch als er sie bedrängte, scharf nachzudenken, waren sich alle sicher, dass es außer Eloisas Schwester in Cádiz niemanden gab. Er ließ seinen Blick über ihre Gesichter schweifen. Sie wirkten wie Flüchtlinge, Flüchtlinge des Lebens, die weit entfernt von jedem Komfort an den Grenzen der Zivilisation festsaßen. Er sagte ihnen, sie könnten gehen. Nur das dicke Mädchen blieb zurück.
    »Es gab doch jemanden«, sagte sie. »Kein Stammkunde, aber sie hat ihn mehr als einmal getroffen. Sie hat gesagt, er wäre anders.«
    »Warum hast du das nicht schon früher gesagt?«, fragte Falcón.
    »Weil ich dachte, sie hätte es geschafft wegzukommen. Das hatte sie nämlich vor.«
    »Jetzt mal ganz von vorn«,

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