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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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sagte Falcón.
    »Sie hat gesagt, dass er keinen Sex mit ihr wollte. Er wollte bloß reden.«
    »Einer von denen«, fing Ramírez an, und Falcón brachte ihn mit einem stechenden Blick zum Schweigen.
    »Er hat ihr erzählt, er wäre Schriftsteller und würde was für einen Film machen.«
    »Worüber haben sie geredet?«
    »Er hat sie nach ihrem ganzen Leben gefragt. Es gab nichts, das ihn nicht interessierte. Besonders faszinierten ihn ›Grenzüberschreitungen‹, wie er es nannte.«
    »Weißt du, was er damit gemeint hat?«
    »Das erste Mal, dass sie mit jemandem geschlafen hat. Das erste Mal, dass sie es für Geld getan hat. Das erste Mal, das sie gewisse Dinge zugelassen hat. Das erste Mal, dass sie schwanger wurde. Die erste Abtreibung. Das erste Mal, dass sie geschlagen wurde. Das erste Mal, dass ein Mann sie mit einem Messer bedroht hat. Das erste Mal, dass ein Mann eine Pistole in sie gestoßen hat … sie geschnitten hat. Solche Grenzen.«
    »Und sie haben nur geredet?«
    »Er hat für Sex bezahlt, aber sie haben nur geredet«, sagte sie. »Und am Ende haben sie einfach so geredet.«
    »Hat sie erzählt, wie er aussah?«, fragte Falcón. »Woher kam er? Wie hat er gesprochen? Hatte er einen Namen?«
    »Sie nannte ihn Sergio.«
    »Hat sie ihn am Freitagabend getroffen?«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Sie muss ihn doch mal beschrieben haben.«
    »Wir sind vorsichtig mit dem, was wir einander erzählen … weil es auf uns zurückfallen kann«, sagte sie. »Sie hat mir nur erzählt, dass er ein guapo war. Vielleicht hat sie mit ihrer Schwester mehr über ihn geredet.«
    »Du glaubst also, dass sie etwas für ihn empfand und mit ihm weglaufen wollte?«
    »Sie sagte, kein Mann hätte je so mit ihr gesprochen.«
    »Hat er auch über sich gesprochen?«
    »Wenn, dann hat sie mir nichts davon erzählt.«
    »Was weißt du von Sergio … außer seinem Namen?«
    »Ich weiß, dass er etwas sehr Gefährliches getan hat«, sagte sie. »Er hatte Eloisa Hoffnung gemacht.«
    »Hoffnung?«, fragte Ramírez dazwischen.
    »Sehen Sie sich um«, sagte das dicke Mädchen, »und stellen Sie sich vor, was Hoffnung mit einem macht, wenn man so lebt.«

    Nach Durchsuchung und Versiegelung von Eloisa Gómez’ Zimmer waren Falcón und Ramírez um acht Uhr abends zurück in der Jefatura. Sie hatten nichts weiter gefunden und gingen jetzt das Adressbuch von Eloisas Handy durch, jedoch wiederum ohne auf einen Hinweis auf Sergio zu stoßen. Schließlich überließ Falcón Ramírez den Papierkram und machte sich auf den Weg nach Tabladilla zu seinem Termin mit der Psychologin. Er parkte dem Haus gegenüber auf der anderen Straßenseite, lief vor seinem Wagen auf und ab und las die Schilder an dem Gebäude, immer noch zögerlich, sich auf das Kommende einzulassen.
    Ihm kam eine Erinnerung an seinen Vater, der ein paar Automechaniker am Motor seines Jaguars hatte herumwerkeln lassen, obwohl die Maschine tadellos lief. »Nur für den Fall, dass irgendwas dabei ist, kaputtzugehen«, pflegte er zu sagen. Wahnsinn. Tatsache war, dass Falcón ein bisschen Herumgewerkel dringend nötig hatte, aber was würde dann passieren? Welcher schreckliche schwarze Faden würde aus seinem eng gestrickten Verstand herausgezogen werden? Würde er dann komplett auseinander fallen? Vor seinem inneren Auge sah er sich benommen und mit schlaffem Kinn zwei Pflegern gegenüber, die ihm ein OP-Hemd überstreiften. Nur ein kleiner Schnitt, und Sie sind erlöst. Wie übertrieben: Hier stand er und dachte an Hirnchirurgie, wo es doch lediglich um ein Gespräch ging. Er rieb seine feuchten Handflächen aneinander, wischte sie an einem Taschentuch ab und überquerte die Straße.
    Entweder war die Treppe unendlich lang oder er selbst unendlich langsam. Oben angekommen gab er sich einen Ruck und betrat die Praxis, wo ihn hinter einem Schreibtisch eine junge Frau erwartete.
    » Hola , Señor Falcón«, sagte sie fröhlich und offensichtlich geübt im Umgang mit gestörten Gemütern. »Das ist doch Ihr Name, oder?«
    Sie hielt ihm ein Formular hin, das er ausfüllen sollte. Doch er nahm es nicht. An der Wand hinter dem Mädchen hing ein Gemälde seines Vaters vom Portal der Iglesia Omnium Santorum. Als er sich in dem Raum umsah, entdeckte er ein weiteres Bild seines Vaters – eines seiner weniger erfolgreichen, eine großformatige abstrakte Landschaft.
    »Señor Falcón«, wiederholte die junge Frau.
    Er wusste, dass er es nicht ertragen würde. Er konnte nicht mit irgendwem über

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