Der Blinde von Sevilla
lieber in seiner ursprünglichen Form behalten wollen«, sagte Jorge.
»Ich denke, es ist wahrscheinlicher, dass er einer Frau gehörte, die gestorben ist«, sagte Falcón. »Dies ist ein Erbstück.«
»Aber damit haben Sie Ihre Frage immer noch nicht beantwortet«, hakte Felipe nach. »Warum sollte ein Mann einen Frauenring tragen? Es muss irgendeine Bedeutung haben.«
»Ramírez trägt einen Frauenring«, sagte Jorge. »Fragen Sie ihn.«
»Woher wissen Sie das?«
»Haben Sie sich nie gefragt, warum er diesen Ring mit drei kleinen, in Gold gefassten Diamanten trägt? Ich meine … ausgerechnet Ramírez. Also habe ich ihn eines Abends in der Kneipe darauf angesprochen«, sagte Jorge. »Es war der Ring seiner Großmutter. Er hatte keine Schwestern. Also hat er ihn weiter machen lassen. Er stand seiner Großmutter sehr nahe.«
»Und was sagt uns das über Sergio?«
»Er hat keine Schwestern«, sagte Jorge, und die beiden Kriminaltechniker lachten.
»Haben Sie jemanden, der uns etwas über das Silber erzählen kann?«, fragte Falcón.
»Wir haben schon öfter mit einem alten Juwelier in der Stadt zusammengearbeitet. Er ist jetzt im Ruhestand, hat jedoch nach wie vor eine kleine Werkstatt an der Plaza del Pan. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie ihn dort an einem Samstagnachmittag antreffen werden.«
Die Werkstatt war geschlossen, und niemand in der Nachbarschaft hatte eine Privatadresse oder Telefonnummer. Falcón versuchte sein Glück bei einigen anderen Juwelieren, die jedoch entweder zu beschäftigt oder inkompetent waren. Dann ging er zurück zur Calle Zaragoza und klopfte diesmal, nur für den Fall, dass Ramírez bei Greta weiter gekommen war. Die Tür war verschlossen, und auch die anderen Läden machten für die Mittagspause zu.
Er nahm den Plastikbeutel mit dem Ring, und eine Erinnerung blitzte auf. Doch sie entglitt ihm gleich wieder. Er schob den Ring in seine Tasche. Die Frau, die den Laden nebenan abschloss, sagte ihm, dass Greta zum Essen wahrscheinlich ins El Cairo gegangen war.
Ramírez und Greta saßen an der Bar und aßen Tapas, Tintenfisch und mit Seehecht gefüllte rote Paprika. Sie nippten an einem einzigen Bier, und ihre Knie berührten sich. Falcón zeigte Ramírez den Ring. Dieser hielt ihn ins Licht, während Falcón ihm von dem Fund berichtete.
»Er muss irgendeine Bedeutung haben«, sagte Falcón. »Deshalb hat Sergio mich heute Morgen angerufen. Er wollte unbedingt wissen, ob wir ihn gefunden haben.«
»Glauben Sie, dass er sich Sorgen gemacht hat, wir könnte die Bedeutung des Ringes verstehen?«
»Der Ring hat offensichtlich eine Geschichte. Allein die Tatsache, dass es ein Frauenring ist, der umgeändert wurde, um auf den Finger eines Mannes zu passen, gibt ihm eine Geschichte.«
»Aber welche Geschichte, und wie oder warum sollten wir in der Lage sein, sie zu verstehen?«
»Erinnern Sie sich an den Anruf, als er mir erklärt hat, er würde mir eine Geschichte erzählen und ich könnte ihn nicht aufhalten?«, fragte Falcón. »Dieser Ring ist Teil der Geschichte, und ich glaube, wir haben ihn zu früh in die Hände bekommen. Wenn wir die Geschichte dieses Ringes knacken, wissen wir zu viel über sein Werk. Es wird uns in irgendeiner Weise zu ihm führen.«
»Aber wir kennen die Geschichte nicht«, sagte Ramírez, erstaunt darüber, dass Falcón diesem kleinen Indiz so viel Bedeutung zumaß.
»Aber wir werden sie herausbekommen«, sagte Falcón schon auf dem Weg zur Tür. »Wir werden sie herausbekommen.«
Als er auf die Straße stolperte, blieb ihm der Gesichtsausdruck der beiden gegenwärtig. Greta hatte besorgt gewirkt, während Ramírez ihn offenkundig für verwirrt hielt.
Daheim in der Calle Bailén ging er direkt ins Atelier seines Vaters. Er wusste, dass es im übrigen Haus keine Hinterlassenschaften seines Vaters gab. Encarnación hatte bereits wenige Wochen nach seinem Tod alles weggeräumt. Falcón öffnete die Rollläden und lief an den voll gestellten Tischen in der Mitte des Raumes entlang, während die Erinnerung an die Ringe, die seine Mutter abgestreift hatte, wenn sie ihn badete, weiter in ihm arbeitete. Wo war ihr ganzer Schmuck? Natürlich würde Manuela ihn haben. Er rief sie auf seinem Handy an. Sie sagte, sie hätte nie etwas davon gesehen. Als Mamá gestorben war, war sie noch zu klein für Schmuck gewesen, und als sie ihren Vater später danach gefragt hatte, hatte er ihr gestanden, dass er ihn beim Umzug von Tanger verloren
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