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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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übernommen.«
    »Wie wurden sie bezahlt?«
    »Einmal im Monat per Scheck, soweit ich weiß«, sagte sie. »Für Einzelheiten müssten Sie sich an die Buchhaltung wenden.«
    »Können Sie sich noch an irgendwelche Namen der männlichen Helfer erinnern?«
    »Nur an ihre Vornamen – Pedro, António und Julio.«
    »Gab es auch einen Sergio?«
    »Nein.«
    »Ich frage dann noch mal in der Buchhaltung.«
    Dr. Cuevas hatte Recht. Es gab einen Pedro und einen António, deren Nachnamen ebenfalls absolut spanisch klangen. Erst der dritte Name, den die Sekretärin in der Buchhaltung nannte, weckte Falcóns Interesse: Julio Menéndez Chefchaouni.

    Als er zurück in der Calle Bailén war, war es 21 Uhr, und beim Öffnen der Tür trat er gegen ein weiteres Päckchen auf dem Boden. Wieder keine Adresse, auf der Vorderseite stand nur die Zahl 3.
    Er war erschöpft. Er legte das Päckchen ins Arbeitszimmer und sah, dass der Anrufbeantworter blinkte. Die Nachricht war von Comisario Lobo, der eine Privatnummer angab. Doch Falcón hatte nicht die Kraft, ihn zurückzurufen, und ging stattdessen duschen.
    In der Küche fand er Brot und chorizo , die er mit Rotwein herunterspülte. Er nahm ein wenig Eis mit ins Arbeitszimmer, eine Flasche Whisky aus dem Getränkeschrank und goss sich ein paar Finger breit davon auf das Eis. Er dehnte Arme und Beine, bevor er sich setzte, und stellte fest, dass er es zum ersten Mal geschafft hatte, Sergio einen Schritt voraus zu sein. Jetzt jagte er ihn nicht mehr, sondern begann, ihn zu umkreisen. Er öffnete das Paket. Wieder waren es fotokopierte Seiten aus den Tagebüchern seines Vaters.

    1. Juli 1959, Tanger
    Ich habe ein neues Spielzeug, ein Fernglas. Ich sitze auf der Veranda, betrachte die Menschen am Strand und mache Skizzen von ihren Körpern, ahnungslose Stillleben. Doch anstatt zu den geschmeidigen Körpern der Jungen fühle ich mich von der erodierenden Geographie der Alten und Gebrechlichen angezogen. Ich male sie als Landschaften – Steilhänge, sich verästelnde Gebirgsausläufer, Kämme, Ebenen und unvermeidliche Erdrutsche. Als ich meinen neuen Weitblick über den Strand schweifen lasse, entdecke ich P. und die Kinder. Meine Familie spielt. Paco und Manuela bauen eine gaudieske Burg, während Javier P. ärgert, die mit ihm ans Wasser geht. P. schlendert über den Sand, während Javier an der Hand seiner Mutter durchs Wasser watet. Dieser alltägliche Anblick fasziniert mich ob ihrer Unbewusstheit umso mehr. Dann bleibt P. stehen, und Javier rennt los und wird von den Armen eines Fremden aufgefangen, der ihn in die Luft wirbelt und wieder absetzt. Javier stampft fordernd mit dem Fuß auf, und der Fremde wirft ihn erneut in die Luft. Er ist ein Marokkaner Mitte 30. P. geht auf ihn zu, und ich sehe, dass sie diesen Mann kennt. Sie reden eine Weile, während Javier über den Füßen des Fremden Sandhügel aufschüttet, dann geht P. davon und zieht Javier hinter sich her, der sich umdreht und dem Mann zuwinkt. Ich schwenke zurück zu dem Marokkaner, der noch immer mit erhobenem Kopf in der Sonne steht. Er sieht P. und dem Jungen nach, bis sie in der Menge am Strand verschwunden sind. In seinem Gesicht liegt Bewunderung.

    1. November 1959, Tanger
    Der erste Regen, und niemand ist an den Stränden. Auch in der Stadt sind kaum Menschen. Der Hafen ist ruhig. Im vergangenen Monat wurde das Dekret von Mohammed V. das Tanger einen Sonderstatus verlieh, außer Kraft gesetzt. Das Café de Paris ist leer bis auf ein paar Missvergnügte, die der Geschäftswelt von Casablanca die Schuld an der jüngsten Entwicklung geben, weil jene stets neidisch auf Tangers Wettbewerbsvorteil gewesen ist. Ich gehe in die Medina und sitze unter den tropfenden Balkonen des Café Central, wo man jetzt nur noch schlechten Kaffee oder Pfefferminztee bekommt. Mir ist bewusst, dass ich beobachtet werde, was ungewöhnlich ist, weil normalerweise ich der Beobachter bin. Mein Blick schweift über Turbane, hoch geschlossene Burnusse und Babuschen, die gegen schwielige Fersen klappern, bis ich auf das Gesicht des Mannes stoße, mit dem P. am Strand geredet hat. Er hat einen Bleistift in der Hand. Unsere Blicke treffen sich, und ich sehe, dass er weiß, wer ich bin. Wenig später geht er. Ich frage den Kellner, ob er ihn kennt, doch er hat ihn hier noch nie gesehen.
    R. schreibt mir, dass er wieder umzieht. Abdullah Diouris Brief ist ihm unter die Haut gegangen.

    3. Dezember 1959, Tanger
    M. schreibt sehr depressiv. M.G.s

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