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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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dias.«

11
    Samstag, 14. April 2001

    »Señor Bravo hatte Recht«, sagte Ramírez. »Die Verbindung scheint zwar allzu offensichtlich, aber der Mörder könnte einer seiner Angestellten sein.«
    »Aber nur, wenn die zweite Theorie stimmt, nach der Eloisa Gómez den Mörder in die Wohnung gelassen hat«, sagte Falcón. »Wenn er über die Hebebühne in die Wohnung gelangt ist, hätte er nachmittags bei der Arbeit gefehlt. Wir müssen alle Mitarbeiter befragen und noch mehr Druck auf das Mädchen ausüben.«
    »Wissen Sie, was mir an diesem Typen nicht gefällt?«, fragte Ramírez. »An unserem Mörder, meine ich.«
    Falcón antwortete nicht, sondern starrte aus dem Fenster auf die Kneipen und Cafés, die am Fenster vorbeiglitten, während sie durch Triana zurück Richtung Fluss fuhren.
    »Er hat Schwein«, beantwortete Ramírez seine Frage selbst. »Er hat verdammtes Schwein, Inspector Jefe.«
    »Dann können wir nur hoffen, dass er sich darauf verlässt«, sagte Falcón wütend und mürrisch. Der Kaffee auf leeren Magen, der fehlende Schlaf und noch immer keine heiße Spur, all das machte ihn nervös und gereizt. Seine Leute hatten auf den Straßen von Los Remedios noch niemanden gefunden, der sich auch nur daran erinnern konnte, einen Umzugswagen mit Hebebühne gesehen zu haben.
    »Was soll das heißen, Inspector Jefe?«
    »Menschen, die sich auf ihr Glück verlassen, verlassen sich auch dann noch darauf, wenn es ihnen schon lange ausgegangen ist. Wie Spieler letztendlich sind es dumme Menschen.«
    »Was wollen Sie damit sagen, Inspector Jefe?«
    »Nichts. Gar nichts.«
    »Sie glauben, er ist noch nicht fertig, oder? Der Mörder.«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sie glauben, er will sein Glück weiter auf die Probe stellen … er will sehen, wie weit er gehen kann.«
    Das hatte Falcón an Ramírez noch nie gemocht. Den guten Polizisten, der nie frei hatte, ständig beobachtete, Sätze sezierte. Und jetzt machte er das mit ihm.
    »Sie sprechen ständig von ›ihm‹ und ›er‹«, erwiderte Falcón, um ihn abzulenken, »aber dabei sind wir ja noch nicht mal darin sicher.«
    Ramírez grinste, während sie über die Puente de Isabel II und am Ostufer des Flusses weiter Richtung San Jerónimo und Friedhof fuhren.
    »Sie wissen doch auch, dass wir hier nur unsere Zeit verschwenden, oder, Inspector Jefe?«
    »Nein, das weiß ich nicht. Wo würden wir denn Ihrer Meinung nach eher auf eine heiße Spur stoßen? An den offensichtlichen Stellen haben wir jedenfalls keine gefunden – weder an der Leiche noch in der Wohnung noch im oder um das Edificio Presidente noch bei der Umzugsfirma.«
    »Wissen Sie, dass ich gestern versucht habe, Sie anzurufen?«, versuchte Ramírez es mit einem neuen Ansatz.
    »Ich habe meine Nachrichten erst heute Morgen abgehört.«
    »Ich hatte bloß gedacht, dass Sie wahrscheinlich doch Recht hatten, Inspector Jefe«, sagte Ramírez.
    Falcón blickte langsam in seine Richtung, so als würde er das Gelände der Expo ’92 und die Isla Mágica betrachten, die jenseits des trägen grauen Flusses seltsam schmucklos wirkten. Ramírez dachte nie, dass irgendwer Recht hatte, am allerwenigsten sein Inspector Jefe.
    »Wie Sie schon sagten, die Vorgehensweise ist zu kompliziert und ausgefeilt«, sagte Ramírez.
    »Als dass das Motiv etwas so Gewöhnliches wie geschäftliche Interessen sein könnten, meinen Sie?«
    »Ja.«
    Es dauerte den Bruchteil einer Sekunde, bis verschiedene unterschwellige Beobachtungen in Falcóns Verstand zusammentrafen. Ramírez war umgänglicher gewesen als je zuvor. Er war ihm bei Mudanzas Triana nicht ins Wort oder gar in den Rücken gefallen, sondern hatte sich um den Vorarbeiter gekümmert, der eher sein Typ gewesen war. Er hatte ihn an einem Feiertag vier Mal angerufen, hatte gestanden, dass er Eloisa Gómez noch einmal aufgesucht hatte, und sogar zugegeben, dass seine Ungeduld sie möglicherweise um wertvolle Informationen gebracht haben könnte. Und er hatte gesagt, dass Javier Falcón Recht gehabt hatte.
    »Sie kennen doch das Verfahren«, sagte Falcón. »Wir dürfen nichts auslassen. Wir hatten Juez Calderón bis auf Consuelo Jiménez und Eloisa Gómez kaum etwas zu bieten. Erstere ist ein komplexes und kompliziertes Individuum, das sowohl die Gelegenheit auch als die Mittel für die Tat hatte, Letztere hatte immerhin die Gelegenheit, will aber nicht mit uns reden. Unsere Aufgabe ist es, Spuren zu finden, und wenn diese sich nicht durch die Indizien ergeben, müssen wir sie

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