Der Blinde von Sevilla
Enthüllungszeremonie mit ausgewählten Offizieren. Oberst Yagüe ist entzückt über ihre Reaktion. Der Pelzkragen war genial. Er lässt sein Gesicht schmaler und das Kinn stolzer wirken, trotzig, unverwüstlich, verlässlich, aber kühn und unternehmungslustig. Im Hintergrund habe ich die Ränge der Legionäre durch den Bogen marschieren lassen, auf dem diesmal die ordnungsgemäße Inschrift prangt. Oscar meint: »Wie ich sehe, hat es über den Grad der Verblendung eine Annäherung gegeben.« Oberst Yagüe hängt das Gemälde jedoch nicht auf, weil er nicht großspuriger und ehrgeiziger erscheinen will als seine Vorgesetzten.
14. Juli, Dar Riffen
Die Sommermanöver enden mit einer von General Romerales und General Gómez, den beiden höchsten Befehlshabern unserer afrikanischen Armee, abgenommenen Parade. Oscar, der eine Nase für so etwas hat, sagt, irgendetwas würde passieren. Als Beweis führt er an, dass während des Banketts im Anschluss an die Parade schon vor dem Dessert »Café«-Rufe laut geworden seien, die offensichtlich keine Getränkebestellung waren. Es ist vielmehr die Abkürzung für Cantaradas! Arriba! Falange Española! und Indiz dafür, dass Oberst Yagüe am Werk war. Er ist ein Falangist, der General Gómez Morato verachtet, sagt Oscar. Ich weiß nicht, woher er diese Informationen hat, und er erklärt mir nur, ich müsse mir bloß die Offiziere ansehen, die bei der privaten Enthüllung meines Porträts von Oberst Yagüe dabei waren.
Wir sind in unserer Kaserne eingesperrt, ohne zu wissen, was auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar passiert. Oscar findet eine Zeitung, El Sol, in der über die Erschießung eines Leutnants namens José Castillo vor seinem Haus berichtet wird, nur einen Monat nach seiner Hochzeit. »Das waren die Falangisten«, sagt Oscar. Ich bin verwirrt. Ich weiß nicht, wo wir stehen. Ich frage Oscar, wen wir unterstützen sollen, und er erklärt mir: »Unseren befehlshabenden Offizier, wenn du nicht erschossen werden willst.« Diesbezüglich sind zumindest keine komplizierten Entscheidungen zu treffen, obwohl Oscar mich mit dem Zusatz beunruhigt: »Wer immer das sein mag.«
Am späteren Abend ruft er mich zu sich. Er ist sehr aufgeregt. Er hat Radio gehört. Spanien steht unter Schock. Calvo Sotelo ist erschossen worden. Da ich den Namen nie gehört habe, könnte mir das kaum gleichgültiger sein. Oscar gibt mir eine Kopfnuss. Sotelo ist der Führer der Monarchisten und eine prominente Figur der Rechten. Seine Ermordung wird schreckliche Konsequenzen haben. »Diesmal ist die Linke zu weit gegangen«, fügt er hinzu. »Das wird bei Calvo Sotelos Position nicht als persönlicher Racheakt durchgehen. Dies ist ein politischer Mord, und jetzt gibt es garantiert einen Bürgerkrieg.« Ich frage ihn, wo er in alldem steht. Er streckt seine Hände aus, deren Handflächen von einem Gitterwerk zahlloser Falten überzogen sind, und ich denke, dass ich sie malen muss. »Vor dir«, sagt er, und ich verlasse ihn genauso schlau wie vorher.
19. Juli 1936, Ceuta
Oberst Yagüe hat uns um neun Uhr aus der Kaserne ausrücken lassen, und bis Mitternacht haben wir die Kontrolle über den Hafen von Ceuta gewonnen. Kein einziger Schuss ist gefallen. Wir waren enttäuscht, bei unserem Vormarsch auf keinerlei Widerstand zu stoßen, weil wir alle auf ein Gefecht gehofft hatten. Am Morgen hat man uns erklärt, dass Melilla, Tétouan, Ceuta und Araïch sämtlich unter militärischer Kontrolle stehen und dass General Franco unterwegs ist, um das Oberkommando zu übernehmen.
Am frühen Morgen rücken wir wieder in die Kaserne bei Dar Riffen ein. General Franco kommt am Nachmittag an, und wir begrüßen ihn mit einer Parade. Zu unserer eigenen Überraschung geraten wir, ohne zu wissen warum, völlig aus dem Häuschen. Oberst Yagüe hält eine Rede, die mit den Worten beginnt: »Hier sind sie, genau so, wie Sie sie verlassen haben …« Wir sehen, dass der General gerührt ist, und brüllen »Franco! Franco!« Er kündigt eine Solderhöhung von einer Pesete pro Tag an, und wir brechen erneut in Jubel aus.
6. August 1936, Sevilla
Zum ersten Mal auf spanischem Boden. Wir gehörten zu den ersten Truppenverbänden, die über die Straße von Gibraltar übersetzen, waren jedoch enttäuscht, nicht eingeflogen zu werden. Stattdessen hat man uns in LKWs verfrachtet, und wir sind auf vollständig leeren Straßen bis nach Sevilla gefahren. Unser Befehl lautet, unter dem Kommando von Oberst Yagüe
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