Der Blitz der Liebe
später nachkam, sagte sie: »Hoffentlich sind es keine wichtigen Briefe. Es ist zu dumm, daß Seine Lordschaft sie nicht bekommen hat, bevor er losfuhr.«
»Der eine sieht nach einer Rechnung aus«, meinte Carter, während er die Briefe in seiner Hand in Augenschein nahm, »und mit dem anderen hat es auch keine Eile.«
»Woher weißt du das?« fragte Lalita.
»Weil er von jemand ist, den Seine Lordschaft wirklich gern in Paris zurückgelassen hat.«
Lalita spürte, daß es sich dabei um eine Frau gehandelt haben mußte, und sie konnte sich nicht helfen, sie war neugierig. »War sie sehr schön?« fragte sie und schämte sich gleich darauf ihrer Neugier.
»Wer? Lady Irene?« fragte Carter.
»Hat sie so geheißen?«
»Ja, Lady Irene Dawlish, und die Person, die sie am meisten bewundert hat, war sie selbst. Die Damen haben Seine Lordschaft umschwirrt wie Fliegen den Honigtopf, und ich hätte ihnen immer helfen sollen.«
Das verstand Lalita nicht, und er erklärte es ihr, indem er wie eine Frau flötete: »›Carter, wann kann ich Seine Lordschaft allein antreffen?‹ oder: ›Carter, willst du ihm mitteilen, daß ich warte und ihm etwas sehr Wichtiges zu sagen habe?‹«
Lalita sagte nichts dazu, aber sie mußte sich eingestehen, daß sie Lord Heywood jetzt in einem neuen Licht sah. Sie fragte sich auf einmal, ob er nicht nur nach London gefahren war, um seine Anwälte aufzusuchen, wie er ihr gesagt hatte, sondern auch, um sich mit einer schönen Frau zu treffen, zum Beispiel mit der, die ihm geschrieben hatte.
Sie hatte die Handschrift auf dem Brief gesehen, den Carter auf den Tisch in der Halle gelegt hatte, und es fiel ihr auf, daß die Schrift auffallend verschnörkelt, ja effekthascherisch war. »Ich möchte gern wissen, warum Seine Lordschaft nicht verheiratet ist«, sagte sie laut.
»Verheiratet?« rief Carter aus. »Daran hat er nie einen Gedanken verschwendet, seit ich mit ihm zusammen bin, und er kann es sich ja auch gar nicht leisten.«
»Er könnte eine reiche Frau heiraten.«
»Und damit eine Frau auf dem Hals haben, die den Daumen auf den Beutel hält und ihn herumkommandiert?« fragte Carter. »Da kennen Sie aber Seine Lordschaft schlecht! Doch will ich nicht behaupten, daß er keine Chancen gehabt hätte.«
»Ich nehme an, Lady Irene hatte Geld«, vermutete Lalita.
»So viel ich weiß«, antwortete Carter vorsichtig.
»Wenn Seine Lordschaft sie heiraten würde, wäre er in der Lage, das Schloß wieder zu seinem alten Glanz zu bringen, mit Dienern und Gärtnern, und er müßte sich um die Pächter und Pensionäre keine Sorgen machen.«
»Wenn Sie mich fragen, dann sind das kleine Sorgen gegen die, die ihm Lady Irene machen würde.«
»Mir scheint, Sie mögen sie nicht.«
»Sie mögen?« wiederholte Carter. »Sie ist von der Sorte, der ich als Blinder nicht im Dunkeln begegnen möchte.« Dann fügte er schnell hinzu: »So etwas sollte ich nicht zu Ihnen sagen, Miss. Übrigens muß ich jetzt das Geschirr spülen.«
Er ging in die Küche; auf Lalitas Gesicht lag jedoch ein Schatten, als sie sich ins Schreibzimmer begab.
Sie begann das Zimmer aufzuräumen und dachte dabei, wie unerwartet glücklich sie die letzten paar Tage gewesen war.
Sie hatte nie zuvor gewußt, wie es war, mit einem Mann allein zu sein, mit dem sie sprechen, sich zanken und den sie necken konnte.
Mit ihrem Großvater war sie nach dem Tod ihres Vaters und ihrer Mutter zwar auch glücklich gewesen, aber er war alt und pflegte immer seinen Kopf durchzusetzen. Deshalb interessierte er sich selten für ihre Meinung.
Jetzt erinnerte sie sich daran, wieviel Freude es ihr gemacht hatte, ihre Meinung zu äußern, zu wissen, daß Lord Heywood ihr zuhörte, und auch zu versuchen, ihn in einer Auseinandersetzung zu besiegen.
Sie hatten über vieles diskutiert, wenn sie nicht gerade seine Probleme besprachen oder sie ihm Hindernisse in den Weg legte, wenn er versuchte, mehr über sie herauszufinden.
Sogar das war aufregend: zu wissen, daß sie weiter in seinem Haus bleiben konnte, einfach weil er zu anständig war, um sie hinauszuwerfen. Er scheint mich gern hier zu haben, sagte sich Lalita.
Aber gleich darauf fragte sie sich, ob es ihm lieber wäre, jemanden wie Lady Irene da zu haben, die ihn als Mann liebte. Dabei fiel ihr ihr Vetter ein, mit dem ihr Onkel versucht hatte sie zu verheiraten.
Weil der Gedanke an ihn so widerwärtig war, ging sie in die Küche, um mit Carter zu sprechen und nicht allein mit ihren Gedanken
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