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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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vertraut, fast so, als hätte ich es schon einmal erlebt. Déjà vu. Das Gefühl verblüfft mich. Ich habe so etwas seit Ewigkeiten nicht verspürt. Das Empfinden wird immer intensiver, und ich überlege, wo die Ursache dafür liegen kann. Seymour sieht, daß etwas mit mir nicht stimmt. Er streckt den Arm aus, um mich zu stützen, und wieder spüre ich die schreckliche Schwäche seines Körpers. Ich weiß noch nicht genau, unter was für einer Krankheit er leidet, aber ich ahne es zumindest.
»Alles in Ordnung?« fragt er mich.
»Ja.« Auf meiner Stirn haben sich Schweißperlen gebildet, und ich wische sie fort. Mein Schweiß ist klar, nicht rosig – wie dann, wenn ich große Mengen menschlichen Blutes getrunken habe. Die Sonne brennt, und ich senke den Kopf. Seymour beobachtet mich noch immer. Ich habe plötzlich das Gefühl, er kommt mir so nahe, daß sich unsere Körper fast berühren. Wie eben das Déjà vu ist mir jetzt auch diese Empfindung unangenehm. Ich frage mich, ob die Sonne mich empfindlicher macht. Schließlich ist heute der erste Tag seit Jahren, an dem ich mich mittags draußen aufhalte.
»Irgendwie habe ich das Gefühl, daß ich dir schon einmal begegnet bin«, sagt er sanft und gleichzeitig verwirrt.
»Mir geht es genauso«, erwidere ich ehrlich, und der Gedanke ist mir keineswegs angenehm. Ich habe ja schon gesagt, daß ich Gefühle fast körperlich spüre. Diese Fähigkeit hat sich im Laufe der Jahrhunderte langsam entwickelt. Zuerst dachte ich, daß es nur mit meiner ausgeprägten Beobachtungsgabe zusammenhängt, und wahrscheinlich besteht da wirklich ein Zusammenhang. Aber ich spüre die Gefühle anderer Menschen, ohne sie zu genau zu beobachten, und diese Fähigkeit verblüfft mich bis zum heutigen Tag, denn sie beweist, daß es so etwas wie einen sechsten Sinn gibt – einen Sinn, der unabhängig ist von allem Physischen. Letzteres akzeptiere ich nicht gern.
Schließlich habe nicht ich allein diese Fähigkeit. Hin und wieder habe ich einen Menschen getroffen, der sie auch hatte. Einige von ihnen habe ich getötet, denn sie spürten genau, was – oder besser: was ich nicht bin. Nicht menschlich eben. Irgend etwas anderes, etwas, das gefährlich ist. Ich habe sie getötet, obwohl ich es eigentlich nicht wollte, denn sie allein konnten mich verstehen.
Mittlerweile glaube ich, daß auch Seymour zu diesen besonderen Menschen gehört. Dieses Gefühl verstärkt sich, als ich erneut Pfeil und Bogen aufnehme und auf die Scheibe ziele. Denn plötzlich wird meine Aufmerksamkeit abgelenkt. Weiter vorn auf dem Sportplatz steht Mr. Castro und unterhält sich mit einer kessen Blondine. Er unterhält sich nicht nur mit ihr, sondern berührt sie dabei auch wiederholt scheinbar zufällig. Der Lehrer ist ungefähr dreihundert Yards entfernt, aber für mich, die ich eine gute Bogenschützin bin, nicht zu weit. Während ich meinen nächsten Pfeil einlege, überlege ich, daß ich ihn in die Brust treffen könnte. Und niemand würde wissen – oder glauben –, daß wirklich ich es war, die ihn getötet hat. Ich könnte es sogar machen, daß selbst Seymour nicht mitkriegt, welche Richtung der Pfeil nimmt. Der Mord an Riley vor zwei Nächten hat in mir den Wunsch verstärkt, erneut zu töten. In der Tat, Gewalt zeugt neue Gewalt, so ist es zumindest bei den Vampiren. Nichts befriedigt einen Vampir so sehr wie der Anblick von Blut oder – noch besser – der Geschmack von Blut.
Ich spanne den Pfeil.
Kneife die Augen zusammen.
Castro streicht dem Mädchen übers Haar.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, daß Seymour mich beobachtet.
Was sieht er? Was ahnt er? Mein Verlangen nach Blut?
Vielleicht. Seine nächsten Worte zeigen es mir.
»Tu’s nicht«, sagt er.
Ich zögere. Bin verwundert. Seymour weiß tatsächlich, daß ich Castro umbringen will! Wer ist Seymour wirklich? frage ich mich im nächsten Moment. Ich lasse den Bogen sinken und schaue meinen Begleiter an. Ich muß ihn einfach fragen!
»Was soll ich nicht tun?«
Seine Augen, riesig hinter den dicken Gläsern, starren mich an. »Du sollst niemanden erschießen.«
Ich lache lauthals los, obwohl seine Antwort mich frösteln läßt. »Was läßt dich vermuten, daß ich jemanden erschießen will?«
Er lächelt und wirkt jetzt ein wenig entspannter. Mein unschuldiger Ton hat seine Wirkung nicht verfehlt. Vielleicht. Ich frage mich, ob Seymour einer jener Menschen ist, die selbst mich zum Narren halten können.
»Ich hatte einfach das Gefühl, du hättest es vor«,

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