Der Blumenkrieg
einen hervorragenden Blick auf sie. »Ähem, ich quengele ja nur ungern«, meinte Theo, »aber sollten wir uns nicht lieber weiter nach hinten setzen? Wo wir nicht so gut zu sehen sind?«
Diesmal konnte Rufinus seine Ungehaltenheit über Theos Vorschlag nicht verbergen, doch er zuckte gottergeben die Achseln, jedenfalls so gottergeben, wie es einem Elfenaristokraten möglich war, und ließ sich von Theo an einen dunkleren Platz an der Rückwand der Teestube lotsen. Als Rufinus gerade den Tee einschenkte, tauchte vorn im offenen Eingang ein kleiner, hin und her huschender Schatten auf, der offensichtlich nach jemandem Ausschau hielt. »Hier hinten!« rief Theo.
Apfelgriebs sah sie und flitzte so schnell durch den Raum, daß einer der Gäste geistesabwesend nach einem Schwirrer über seinem Kopf haschte, als sie bereits neben Theos Untertasse auf dem Tisch landete.
»Nett, daß du dich noch zu uns gesellst«, sagte Rufinus.
»Klar doch.« Sie wandte sich Theo zu. »Dreh dich nicht zu plötzlich um, aber weiter hinten im Bahnhof sind ein paar Kerle, die mir gar nicht gefallen. Vor dem Flügelpflegegeschäft. Sie beobachten dich.«
Er sah hin. »Da ist niemand.«
Sie flog vom Tisch auf, um sich zu vergewissern. »Sie sind weg.« Sie wandte sich an Rufinus. »Drei Kerle, deine Größe, aber ein bißchen verdächtig. Nein, sehr verdächtig. Dabei ganz ruhig und gelassen – keine Straßenganoven. Mit dunklen Mänteln.«
Jetzt spähte auch Rufinus in die Richtung, aber ganz beiläufig, als betrachtete er eine Wolke, von der ein Kind behauptet hatte, sie sehe wie eine Quakente oder ein Hoppepferdchen aus. »Vielleicht hast du dich geirrt, Kesselpauke. Viele Leute tragen gerade lange Mäntel. Wegen des Regens natürlich.«
»Ich heiße Apfelgriebs«, sagte sie, aber nicht in dem schnodderigen Ton, registrierte Theo, mit dem sie ihm an Rufinus’ Stelle über den Mund gefahren wäre.
Der Klassenunterschied, sagte er sich. Sie behandelt mich als ihresgleichen und erwartet dasselbe von mir. Aber von ihm nicht – und das mit Recht, soweit ich sehen kann.
»Trotzdem sehr lobenswert, daß du die Augen offen hältst«, gestand ihr Kegel-Chrysantheme zu. »Wobei ich auch nicht gänzlich unvorbereitet bin. Hab keine Angst, Junker Vilmos, sollte irgend etwas geschehen, werde ich dich beschützen. Einmal hat mir Onkel Quillius ein paar recht ordentliche kleine Abwehrzauber gegen Angriffe mitgegeben. Und außerdem verfüge ich über einige Erfahrung mit anderen Formen der Selbstverteidigung. Wußtest du, daß ich in meinem letzten Studienjahr in Immerdar Mannschaftskapitän der Fechter war?«
»Vom Uniteam«, flüsterte Apfelgriebs zur Erklärung. »Im Studentenheim.«
»Aber du hast kein Schwert«, gab Theo zu bedenken.
Einen Moment lang lächelte Rufinus so freudig, daß Theo ihn beinahe sympathisch fand. »Ha, das denkst du, mein menschlicher Freund. Aber schau mal!« Und er hob seinen Koffer hoch und zog etwas aus dem Boden. Als es herausglitt, sah Theo, daß es entweder ein kurzes Schwert oder ein außerordentlich langes Messer war – die Klinge war fast zwanzig Zentimeter länger als der Koffer.
Gott steh uns bei, er ist einer von den Typen, die meinen, sie wären tolle Kämpfer. Jetzt wurde Theo erst richtig nervös. Er hatte etliche böse Schlägereien erlebt, größtenteils bei Auftritten in miesen Bumslokalen, und wußte, daß er nicht zum Kämpfer taugte. Und wenn einer dazu taugte, dann erhöhte das nur die Wahrscheinlichkeit, daß jemand ihm von hinten ein Billardqueue über den Schädel zog, wenn er gerade wegschaute.
»Gut, trinken wir unseren Tee, ja?« sagte Rufinus. »Bis zur Abfahrt des Zuges haben wir noch fast eine Stunde.«
Theo zwang sich, still zu sitzen und Tee zu trinken. Er konnte nichts tun, um schneller oder sicherer nach Hause zu kommen. Es war wie ein Notfall auf einem Himalayagipfel: Man konnte jammern und schreien, soviel man wollte, aber letzten Endes mußte man doch irgendwie wieder hinunterkommen.
L iebe Güte, die zwei Tassen Ostfeenmischung sind glatt durch mich durchgelaufen«, verkündete Kegel-Chrysantheme und schob seinen Stuhl zurück. »Aber es müßte noch reichlich Zeit sein, daß ich einen kleinen Spaziergang machen und den Erste-Klasse-Wartesaal finden kann – das ist den Toiletten im Zug unbedingt vorzuziehen.«
Theo hatte sich immer noch nicht ganz an die Vorstellung urinierender Elfen gewöhnt, doch allmählich wurde ihm klar, daß diese in ihrer eigenen Welt
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