Der Blumenkrieg
Abschied winkte, »dann weißt du, wo du mich findest.«
»Wahrlich, wahrlich«, sagte der andere. »Bis zum losen Plappermaul im Mehl wie immer. Die Tür zum Mitarbeitergang ist da hinten.«
»Ganz nette Kerle«, meinte Apfelgriebs, als sie den schmalen Flur hinuntergingen, der an der Rückseite der Ladenzeile verlief.
Theo hatte das Gefühl, wenn Rufinus diese Bemerkung gemacht hätte, hätte er automatisch hinzugefügt: »für Butzen«. »Die konnten dich gut leiden«, sagte er zu Apfelgriebs.
»Werd nicht keß!«
»Ach, etwa nicht? Und warum wirst du dann rot?«
»Werd ich gar nicht. Halt die Klappe!«
Als sie die letzte Tür im Gang erreichten, flog Apfelgriebs ihm dicht vors Gesicht. »Wenn wir jetzt rausgehen, schau dich nicht um! Mit so was macht man sich verdächtig. Denk immer dran, du hast gerade etwas vollkommen Rechtmäßiges getan und bist jetzt im Begriff, etwas anderes zu tun, das ebenfalls vollkommen rechtmäßig ist. Schau dich nicht um! Das macht nur jemand, der ein schlechtes Gewissen hat.«
»Wow. Echt imposante Rede. Hätte glatt von einem Mini-John-LeCarré aus einer Schachtel Choco Pops sein können.«
»Ich hab keine Ahnung, was das heißen soll, aber es wird mich gewiß nicht davon abhalten, dir ins Ohr zu treten. Und jetzt sei still und mach die Tür auf!«
Ihm ging kurz die Frage durch den Kopf, wie Leute von Apfelgriebs’ Größe solche Türen aufmachten, wenn keine Leute von Theos Größe in der Nähe waren, da waren sie auch schon draußen und gingen an der Damentoilette eines anderen Bahnhofsrestaurants vorbei. Wenigstens nahm er an, daß es die Damentoilette war, da eine der Silhouetten darin einen menschenähnlichen und weiblichen Eindruck machte, obwohl die meisten anderen Silhouetten eher wie diverse Staubsaugerdüsen aussahen. Theo beschloß, daß es keinen Zweck hatte, zuviel darüber nachzudenken.
Der Laden, den sie betreten hatten, war eine Buch- und Zeitschriftenhandlung voll herumstöbernder Reisender. Der Raum war wie zu einem Erntefest mit belaubten Zweigen und Obst- und Gemüsehaufen auf fast jeder freien Fläche geschmückt, und an der Decke hingen stilisierte Monde. Wobei es natürlich sein konnte, daß es gar kein besonderer Festschmuck war, sondern einfach der ganz normale Irrsinn hier in Elfien. Während er Apfelgriebs durch die Reihen mit Illustrierten folgte, erlebte er die gleiche Wahrnehmungsspaltung wie vorher: Er verstand alles, was darauf geschrieben stand, ohne die Sprache oder die Schrift zu kennen. »Die Eichenblattlaus – Wie ein Schädling zum Nützling wird!« prangte groß auf der Titelseite von einer, die sein Hirn mit Wurzelwerk – das Magazin für die moderne Dryade übersetzte. Es gab noch zahlreiche andere mit genauso absurden Namen, so daß er sich fühlte, als spazierte er durch die Kulisse einer teuren Hollywoodkomödie: Spannweite – für berufstätige Mütter, mit Artikeln wie »Vergeßt eure Gefrierzaubersprüche – Minutenschnell ein frisches Mabonmahl!«, ferner Zeitungen, die sich Hainischer Anzeiger und Ardener Tageblatt nannten und Schlagzeilen hatten wie »Koextensive für Erhalt der Koalitionskraft« und »Stechpalmes Störfälle Folge schlechter Arbeitsmoral?«.
Die Kunden machten einen ebenso buntgemischten Eindruck wie die Zeitschriften. Es war alles vertreten: von Elfinnen mit Hut und Schleier, die aussahen, als wären sie soeben von einer Neuverfilmung der Reise nach Indien eingeflogen worden, bis zu einer Gruppe munter schwatzender Igel – alle in den gleichen, nach Rugbytrikots aussehenden Hemden und mit Fähnchen und Kühlboxen in der Hand –, die sich scherzhaft um eine Tüte gesalzene Raupen rauften.
»Du guckst zuviel«, zischte Apfelgriebs ihm ins Ohr. »Geh schneller! Du willst geradewegs irgendwohin.«
Er hatte vor einem Zeitschriftenregal gezögert und ein Blatt namens Aödenharfe angestarrt – da ihn gemeinhin nur zwei Arten von Illustrierten interessierten, fuhr er in einem Land, wo die Frauen sich von Kopf bis Fuß verhüllten, mit den Musikzeitschriften wahrscheinlich besser –, doch er sah ein, daß sie recht hatte. Der Gedanke, wie wenig er sich hier auskannte, deprimierte ihn und trieb ihm abermals den Spieß des Heimwehs in den Magen. Es war eine Sache, ihn so zurechtzumachen, daß er ein bißchen elfenähnlicher aussah, aber eine ganz andere, von ihm zu erwarten, daß er die Rolle auch ausfüllte. Das war so, als setzte man einen Eisverkäufer in eine Konferenz über Teilchenphysik und
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