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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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von einer paar Vokalen, die er noch nie gesehen hatte, ganz zu schweigen, und doch stand deutlich darauf zu lesen: »Bürger, die Gepäck zu sein scheinen, müssen jederzeit ihren Fahrschein zur Kontrolle bereithalten.«) Es war auch nicht die Bronzestatue, an der sie vorbeikamen, obwohl auch sie einigermaßen sonderbar war: Ein Wesen, das wie ein flügelloser Feenmann aussah, stand auf dem Kopf einer schlafenden Gestalt von normaler Größe, die Arme in stummem Triumph hochgerissen. Die Tafel auf dem Sockel trug die Aufschrift »Unseren unvergessenen Toten.« Erst als er darunter die kleineren Worte »Die Schattenhofer Veteranen des Zweiten Riesenkriegs« las, begriff er, daß die beiden Figuren genausogut eine normal große Person auf einem toten Riesen darstellen konnten. Jemand hatte vor dem Denkmal eine kleine Pyramide aus reifen Äpfeln errichtet, vielleicht eine Art Opfergabe.
    Riesen? dachte er beklommen und blickte dabei unwillkürlich auf, als ob just in diesem Moment eine gewaltige Hand von oben nach ihm greifen könnte. Während er in das Deckengewölbe emporschaute, in das graue Licht, das durch das Stabwerk der Kuppel strömte und die Silhouetten menschenähnlicher fliegender Winzlinge umriß – alles auf seine Art so überdeutlich wie die Szenerie in Rittersporns Wald –, wurde Theo plötzlich klar, was ihn befremdet hatte. Wie er schon von außen gesehen hatte, gab es in dem offenen Dach keine Glasscheiben oder ähnliches, doch obwohl reichlich Licht einfiel, blieb der Regen, der über der ganzen Stadt niederging, draußen.
    Alle Regeln hier sind anders, erkannte er. Die Naturgesetze und alles. Einfach … anders.
    Manche Dinge jedoch schienen in beiden Welten gleich zu sein. Frauen und ihre Blasen zum Beispiel.
    »Ich platz gleich, Vilmos«, bekannte Apfelgriebs plötzlich. »Ihr könnt langsam weitergehen. Ihr müßt mir bloß sagen, wo ich euch treffe.«
    »Es gibt eine gemütliche kleine Teestube an der Ecke vor Gleis 1, glaube ich«, sagte Rufinus mit dem Gebaren eines welterfahrenen Flaneurs. »Nichts Besonderes, aber etwas gehobener als der Durchschnitt. Dort findest du uns. Was darf es für dich sein?«
    »Der kürzestmögliche Weg zum Lokus«, erwiderte sie und sauste davon wie eine mit der Schleuder abgeschossene Wespe.
    Theo seinerseits konnte gar nicht anders als langsam gehen. Zum erstenmal hatte er die Gelegenheit, Gesichter aus der Nähe zu betrachten – Elfengesichter aller Art. Da waren natürlich einmal die ganzen kleinen Wesen, die Brownies und Gnome (er vermutete, daß es Gnome waren, sie hatten auf jeden Fall die entsprechenden bodenlangen Bärte) und viele andere Typen, die ihm nicht einmal bis zur Taille gingen, die meisten mit Gesichtern, die runzlig und knollig waren wie Dörrapfelmännchen. Noch kleiner waren die Feen wie Apfelgriebs, kaum mehr als durch die Luft huschende Schimmer, bis sie irgendwo auf der Stelle flogen. Es waren auch jede Menge Goblins da, von denen einige niedrige Tätigkeiten im Bahnhof verrichteten, einige auf Züge warteten und andere einfach herumlungerten und hier und da jemanden anbettelten. Die Goblins schienen allen Alters- und vielen Einkommensklassen anzugehören, aber alle vermieden aktiv den Blickkontakt mit Theo und Rufinus.
    Wird das von ihnen verlangt? fragte er sich. Bekommen sie Ärger, wenn sie die höhergestellten Elfen direkt anschauen? Oder können sie unsereins einfach auf den Tod nicht leiden?
    Unsereins? Er mußte wider Willen schmunzeln. Und was bringt dich auf den Gedanken, daß du im Elfenland nicht auch ein Goblin oder etwas noch Tieferstehendes wärst, wenn du hier leben würdest? Es ist wie mit der Wiedergeburt: Die Leute, die an frühere Leben glauben, waren selbst immer Herzöge oder Königinnen oder so was und verschließen die Augen davor, daß die meisten Menschen damals ihr Lebtag Scheiße schippen mußten, bevor sie zahnlos mit dreißig krepierten.
    Am faszinierendsten jedoch waren die Gesichter der Elfen und Elfinnen aus der Oberschicht, vor allem der Frauen natürlich. Weniger deshalb, weil die »Edlen« mit Abstand am menschenähnlichsten waren oder weil sie nach menschlichen Maßstäben alle gut aussahen (auch wenn das zweifellos der Fall war), sondern vor allem wegen der Art ihres guten Aussehens.
    Sie waren nicht vollkommen. Obwohl sie im großen und ganzen regelmäßigere Gesichter hatten als die durchschnittliche menschliche Bahnhofsmischung, waren sie in der Masse nicht attraktiver als die vielen

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