Der Blumenkrieg
stieg, und dann ihren Oberkörper, als sie sich an seine Brust drückte. Es war ein aberwitzig intimes Gefühl, so als ob sich eine lebendige Barbiepuppe an seine nackte Haut kuschelte.
Gott sei Dank werde ich wahrscheinlich gleich sterben, dachte er, dem Delirium nahe. Sonst müßte ich danach jahrelang in Therapie.
»Untersteh dich und stoß irgendwo an!« zischte sie dicht neben seiner linken Brustwarze. »Du würdest mich wie eine Fliege zerquetschen.«
»Soll ich Rainfarn anrufen? Vielleicht könnte er ja für mich bürgen.«
»Das wird er hübsch bleiben lassen. Er ist doch nicht blöd. Wenn sie den Zug angehalten und die Sondertruppe eingeschaltet haben, dann wahrscheinlich deswegen, weil Rufinus gefunden wurde und irgend jemand dich des Mordes beschuldigt hat. Ein Anruf von Rainfarn würde sie nicht von ihrer Meinung abbringen, und er würde sich bloß selbst verdächtig machen.«
»Scheiße! Können wir denn wirklich gar nichts tun?« Er hatte kurz das Gefühl, sich übergeben zu müssen, doch dann wurde sein Magen und alles andere in ihm zu einem einzigen Eisblock, denn die vordere Wagentür ging auf und zwei bewaffnete Elfen mit schußsicheren Westen traten ein. Hinter ihnen kam eine nur allzu bekannte dunkel gekleidete Gestalt mit tief herabgezogenem Schlapphut, unter dessen Krempe das Gesicht wie ein Fischbauch glänzte.
Theo beobachtete ohnmächtig, wie die beiden Polizisten, geleitet von den geflüsterten Bemerkungen des Hohlrückens, langsam durch den Gang auf ihn zukamen. Die Schutzleute schienen beide Flügel zu haben, denn ihr dick wattierter dunkelgrauer Körperpanzer wies hinter den Schultern deutliche Ausbuchtungen auf. Sie trugen verspiegelte Vollsichtsonnenbrillen, wie Theo sie von den Autobahnpolizisten kannte, die ihn früher oft rechts rangewunken und sich mit stoischer Verachtung seine gestammelten Entschuldigungen angehört hatten, wobei diese Brillengläser hier wie leuchtendes Perlmutt aussahen und allem Anschein nach selbst Licht abgaben. Und auch ihre schweren Handschuhe verbreiteten einen schwachen Glanz, weniger ein Strahlen als eine unheimliche visuelle Schärfe. Am erschreckendsten aber war, daß beide Schutzleute Waffen trugen, die Ähnlichkeit mit schweren Maschinenpistolen hatten, bedrohliche schiefergraue Dinger, deren Magazine nicht rechteckig waren, sondern vielmehr eine Form hatten wie … Handgranaten? Nein, irgendwie organischer … Wie Ananas?
Nein, Bienennester, ging ihm auf. Sie kamen ihm vor wie von einem modernen Künstler entworfene Bienenstöcke.
Etwas zappelte an seinem Brustbein, dann steckte Apfelgriebs den Kopf aus seinem Kragen und lugte verstohlen hinaus. »Schiet!« zischte sie. »Sie müssen dich für den Dombrandstifter halten oder so was. Sie haben Hornissen.« Mit einem leisen Verzweiflungsseufzer glitt sie in sein Hemd zurück.
Die Polizisten forderten gar nicht viele Leute auf, ihre Fahrkarten oder Personalien vorzuzeigen. Als sie näher kamen, registrierte Theo mit geringfügiger Erleichterung, daß die Schutzleute selbst ein wenig gelangweilt wirkten, so als ob sie bereits zu dem Schluß gekommen wären, daß ihre Vorgesetzten sie völlig überflüssigerweise losgeschickt hatten. Der Hohlrücken jedoch war nicht im geringsten gelangweilt: Wie ein Hund, der sich nur widerwillig weiterzerren läßt, beugte er sich zwischen den beiden Polizisten schnuppernd nach links und rechts, während die Gruppe sich langsam den Gang hinunterbewegte.
Theo rutschte tiefer auf seinem Sitz. Er überlegte, ob er sich hinter seinem Buch verschanzen sollte, doch mit einer solchen demonstrativen Gleichgültigkeit zog er wahrscheinlich erst recht den Verdacht auf sich. Gut die Hälfte der Passagiere beobachtete das Herannahen der drei mit nervöser Gebanntheit, und viele sahen kaum weniger ängstlich und schuldbewußt aus als Theo.
Sehr heiter und glücklich geht es hier nicht zu. erkannte er. Und das nicht erst, seit ich hier bin. Es herrschen schlechte Zeiten im Märchenland.
Zu seiner Verblüffung gingen die Polizisten einfach an ihm vorbei. Der matte Glanz ihrer Sonnenbrillen glitt über ihn hinweg, als wäre er ein Nichts, eine Laus.
Ja! wollte er schreien. Ich bin eine Laus! Ich bin völlig unbedeutend!
Der verschattete Blick des Hohlrückens streifte ihn, und einen Sekundenbruchteil lang meinte Theo, ein kurzes Stutzen zu sehen, ein Aufblitzen der winzigen Schweinsäuglein unter dem Hut. Er hatte das Gefühl, daß ihm das Herz anschwoll, bis es schier
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