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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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angenehmste Weise hypnotisiert würde. Schließlich endete das Stück, und ein neues begann, eine noch unvorstellbarere Kombination, die sich anhörte wie »Danny Boy« auf einem Zehntel der normalen Geschwindigkeit gespielt und arrangiert für Gong und Sitar. Dieses Lied war mit Gesang beziehungsweise einem unfaßbar hohen Raunen wie von einer Stimme, die noch ein allerletztes Signal sendete, bevor sie ganz in den Tiefen des Weltraums entschwand. Die einzigen Worte, die Theo verstehen konnte, waren: »… sind fern fern fern, der Spiegel im Kern, der nähere Stern …«
    »Ich liebe dieses Lied«, sagte Poppi glücklich. »Was ist eigentlich aus der Gruppe geworden?«
    »Ein Hit und das war’s?« mutmaßte Theo.
    Obwohl der dritte Fahrgast nicht größer als ein Wellensittich war, hatte Poppi sich dicht an Theo gedrängt und machte keinerlei Anstalten, von ihm abzurücken. Er mußte sich sehr zusammennehmen, um nicht darauf einzugehen: Das Gefühl, daß ein Frauenbein sich fest an seinen Schenkel preßte, war im Märchenland genauso erregend, wie es daheim im guten alten Humanien gewesen wäre.
    Aber sie ist hundertfünf Jahre alt! Alt genug, um eine Ururgroßmutter zu sein – nein, alt genug, um tot zu sein! Bei dem Gedanken an ein romantisches Techtelmechtel mit ihr hätte er sich eigentlich in den Film Harold und Maude versetzt fühlen müssen, doch dem war keineswegs so. Oder wie war dieser andere mit Ursula Andress, wo sie in Wirklichkeit so was wie eine Million Jahre alt ist und sich am Ende in eine Mumie verwandelt …? Aber das war Blödsinn, sagte er sich, sie war nicht eine in Wahrheit uralte Frau, die durch irgendeinen Zauber jung aussah. Sie war jung. Nur nicht nach den Maßstäben seiner Welt.
    Das wirkliche, richtig ernste Problem ist, daß sie die Tochter eines bedeutenden reichen Mannes ist und daß ihre Eltern in ihr ein unreifes Schulmädchen sehen. Ein weiterer Grund, mich umzubringen, falls sie nicht schon genügend andere hätten.
    Er blickte zu Apfelgriebs hinüber, von Schuldgefühlen geplagt, weil er aus unerklärlichen Gründen schon wieder Poppi Stechapfels Hand hielt und weil er ihr seine Hand nicht entzogen hatte, sobald ihm das bewußt geworden war, aber die Fee hatte sich in der Sitzecke eine Art Nest zurechtgemacht und schien tief und fest zu schlafen, auf Poppis Topfhut zusammengerollt.
    Danke, dachte er bitter. Laß mich mit diesem ganzen Kuddelmuddel ruhig allein klarkommen. Vielen Dank.
    Poppi regte sich neben ihm. »Kannst du das Dach aufmachen?«
    Er begriff erst, daß sie nicht mit ihm sprach, sondern mit dem unsichtbaren Chauffeur, als plötzlich das Schiebedach aufging. Über ihnen prangte ein leuchtender Himmel voll riesengroßer Sterne, die wie geliertes Feuer aussahen, wie die Verwirklichung von Van Goghs wildesten Visionen.
    »In diesem Teil der Welt ist es immer schön«, sagte sie. »Ich kann es kaum erwarten, bis wir aus der Ortschaft heraus sind.«
    Theo benahm der Anblick des stellaren Feuerwerks immer noch den Atem. »Wieso?« krächzte er.
    »Weil heutzutage hier alles so zugebaut und so hell ist, daß man vor lauter Straßenlaternen und so weiter den Himmel gar nicht mehr richtig sieht.« Sie schmiegte sich an ihn. »Hast du mich ein kleines bißchen gern, Theo? Sag die Wahrheit.«
    »Ja. Doch, natürlich. Du bist eine sehr … nette junge Frau.«
    Er hörte das Schmollen in ihrer Stimme. »Das ist genauso ein Kompliment, wie es die Jungblüten immer bekommen, wenn sie Spinnwebereiführungen und Kuchenbasare organisieren, um das Los hungernder Goblins in Erlenspitz zu lindern.«
    »Na gut, du bist auch sehr schön. Aber das weißt du selbst.«
    »Findest du wirklich?« Langsam und behaglich wie eine Katze, die sich vor dem Kamin aufwärmt, rieb sie das Gesicht an seinem Oberarm. »Das klingt schon besser. Und wirst du auch mit mir schlafen?«
    Er holte tief Luft. »Ich glaube, das ist keine sehr gute Idee, Poppi. Ich bin …« Ihm fiel nichts ein, was sich nicht wie das billigste aller billigen Abwimmelklischees anhörte. Aber es stimmte! Es stimmte tatsächlich! »Es ist zur Zeit nicht empfehlenswert, sich näher mit mir einzulassen. Aber du bist ein Schatz. Ich freue mich wirklich, daß ich dich kennengelernt habe.«
    Sie hob leicht den Kopf an und betrachtete ihn mit ihren großen Augen, deren Violett so dunkel war, daß sie selbst in dem feurigen Sternenlicht wie abgrundtiefe dunkle Teiche wirkten. »Im Ernst? Du lügst mich nicht etwa an, bloß weil ich

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