Der Blumenkrieg
Tür schloß sich, und Nieswurz und der Beseitiger waren allein in einem kurzen, dampfigen Flur. »Du bist so etwas wie eine Berühmtheit«, bemerkte Nieswurz mit einem kalten Lächeln.
»Für die Ärztezunft. Und für noch ein paar Zünfte außerdem.«
Als die Tür in den größeren Raum aufging, konnte man durch die warmen Dunstschwaden zunächst schwer etwas erkennen. Nachdem sich die durch den Zug verursachten Luftströmungen ein wenig gelegt hatten, schälten sich am hinteren Ende des weißen Zimmers zwei mit irgend etwas beschäftigte weißgekleidete Gestalten heraus.
Die beiden Schwestern traten bei Nieswurz’ Nahen so hurtig zur Seite, daß man fast meinen konnte, sie hätten etwas angestellt. Die Handtücher, die sie eben noch benutzt hatten, preßten sie an die Brust ihrer Schwesterntracht, einen Ungutes ahnenden Blick im Gesicht, wie er für das Personal dieses Haushalts üblich war. Doch ihr Herr war heute anscheinend nicht in der Stimmung, einen Grund zur Bestrafung zu finden. Er winkte sie einfach davon, und sie verzogen sich dankbar.
»Hallo, Stiefvater«, sagte die kleine Erscheinung in dem dicken weißen Bademantel. Die Stimme des Jungen hatte eine eigenartige Kehligkeit, als ob sie von einer erwachsenen Frau käme, die eine kindliche Sprechweise imitierte. Die an den nackten Füßen und Händen und dem rundlichen Gesicht zu sehende Haut war rosig, vielleicht von der Hitze des Bades, aus dem er soeben gestiegen war. Seine hellbraunen Kraushaare fielen ihm in nassen Ringellocken bis knapp über die Augen. »Du kannst näher kommen. Ich bin wirklich ganz sauber.«
»Das sehe ich«, sagte Nieswurz, aber rührte sich nicht. »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden. Ich habe jemand mitgebracht. Dies ist …«
»Ich weiß, wer das ist«, unterbrach ihn der Junge mit einem Grinsen. Selbst der Beseitiger lästiger Hindernisse, dem unschöne Anblicke keineswegs fremd waren, konnte nicht umhin zu bemerken, daß das Kind mit seinem Mienenspiel seinen Stiefvater noch übertraf: Das Lächeln begriff weder die Augen ein noch erwärmte es das übrige Gesicht in irgendeiner Weise, es war schlicht, als ob jemand die Mundwinkel eines Leichnams hochgezogen hätte. »Wir sind alte Bekannte, er und ich.«
»So. Ja. Nun, jedenfalls wollte ich dir ein paar Fragen stellen. Deinen Rat in einer Sache einholen.«
»In der Sache Theo Vilmos.«
Nieswurz’ Überraschung zu sehen, war eine Überraschung für sich. »Ja.«
»Er ist immer noch auf freiem Fuß.«
»Woher weißt du das?«
»Ach, komm, Stiefvater, dazu braucht es keine große Kunst. Was sonst sollte euch zwei hierherführen? Dein werter Gast verläßt kaum jemals sein Haus im Hafenbezirk. Und wenn es dir gelungen wäre, diesen Vilmos in die Hand zu bekommen, diesen … Menschen«, er verlieh dem Wort einen ungewöhnlichen, geradezu giftigen Nachdruck, »warum solltest du mich dann um Rat fragen?« Der Junge streckte sich und winkte dann einer der Schwestern. Sie kam schüchtern herbei, wobei sie Fürst Nieswurz verstohlene Blicke zuwarf, um zu sehen, ob er etwas dagegen hatte. Der Junge schüttelte den Bademantel ab und stand in rosiger, molliger Nacktheit da. »Trockne mich ab! Ich möchte jetzt angekleidet werden.«
Während die Schwester ihn mit dem Handtuch abrieb, ließ Fürst Nieswurz von der anderen Schwester Stühle bringen. Er setzte sich und streckte seine langen Beine aus. »Nun gut. Erzähle mir, warum wir keinen Erfolg hatten.«
»Weil der Mann, den du suchst, kein entlaufener Diener und kein Spion aus einem der anderen Häuser ist. So leicht wird es mit dem Erfolg nicht werden.«
»Willst du damit andeuten, daß dieser Kerl uns irgendwie überlegen ist?«
Ein anderes Kind hätte jetzt vielleicht mit den Augen gerollt oder unwillig geschnaubt, aber der Junge wurde nur ganz still. Während er äußerlich energisch abgerubbelt wurde, schien er sich innerlich an einen Ort der Sammlung zurückzuziehen, wo er praktisch unansprechbar war.
»Nein«, sagte er schließlich. »Ich will damit sagen, daß solche Sachen – Sachen, bei denen dieser Vilmos eine Rolle spielt – niemals einfach sind. Er ist eine Art Magnet, zumal jetzt, wo er in unserer Welt ist, und deshalb wird er unerwartete Kräfte anziehen, unvorhergesehene Ereignisse auslösen, unwahrscheinliche Zufälle bewirken. Sieh dir an, was um ihn herum bereits alles geschehen ist, bedenke die folgenschweren Vorgänge, an denen er unwissentlich teilgehabt hat. Ist ein Fisch mächtig? Aber
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