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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ausgekippt hätte, als ob die Sterne, durch die er zuvor geflogen war, vom Himmel herabgefallen wären und sich wie Schneeflocken aufgehäuft hätten.
    »Sie ist … gigantisch.« Er war sich nicht sicher, ob er auf Erden jemals so eine große Stadt gesehen hatte – sie mußte mindestens die Ausdehnung von New York, Tokio oder Mexico City haben –, aber er spürte auch, daß ihm im Augenblick an Vergleichen nicht viel gelegen war. Sie war überirdisch schön und bot mit ihren Lichtern einen mehr als fremdartigen Anblick. Sein Herz schlug sehr schnell, und nicht allein vor Staunen: Er empfand auch Furcht vor etwas, das so monumental und gleichzeitig so ohne jeden Bezug zu ihm war.
    Er schluckte und schaute eine ganze Weile schweigend vor sich hin, bis er schließlich mit leiser Stimme zu singen anfing: »They say the neon lights are bright, on Broadway …« Er gab dem alten Schlager etwas Getragenes, Bluesiges und sang dann, als niemand Einwände machte, »I Left My Heart in San Francisco« sowie einen alten Journey-Song aus seiner Kindheit, in dem es um »city lights« ging. Er beschloß sein improvisiertes Großstadtpotpourri mit »New York, New York«.
    »If I can make … it … there, I’ll make it anywhere …« Tja, das ist wohl ein typischer Fall von »Pfeifen im Dunkeln«, dachte er, als er zum Ende kam. Aber wen stört’s?
    »Du hast eine sehr schöne Stimme, Theo«, sagte Poppi und drückte fest seine Hand. »Ich kenne diese Lieder alle nicht – ich habe überhaupt noch nie eine solche Musik gehört. Woher kommt sie?«
    »Aus einer andern Welt«, antwortete er ihr. Dann verstummte er wieder vor dem schier unendlichen Lichtermeer.

 
17
Das Treibhaus
     
     
    D er Beseitiger lästiger Hindernisse bewunderte die Art, in der man ihn warten ließ. Selbst inmitten weltbewegender Geschehnisse nutzte Nidrus Fürst Nieswurz die Gelegenheit zu einer kleinen Demonstration seiner Macht und Größe. Eine Stunde auf einem erstaunlich unbequemen Stuhl im Vorraum zum fürstlichen Büro sitzen zu müssen, mit Nieswurz’ blasser und stummer Sekretärin als einziger Gesellschaft, ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.
    Der Beseitiger fragte sich, ob die Sekretärin immer so blaß und stumm war und ob sie es gewohnheitsmäßig so betont vermied, die Leute anzuschauen, die ihr Herr warten ließ. Es konnte durchaus an dem Eindruck liegen, den er auch dann noch machte, wenn er sich für einen Besuch herausgeputzt hatte. Selbst sehr starke Zauber konnten nicht bewirken, daß er gänzlich … akzeptabel aussah.
    »Seine Durchlaucht wird dich jetzt empfangen«, teilte sie ihm mit, ohne sich zu ihm umzudrehen. Lautlos wie ein zu Boden schwebendes Blütenblatt ging eine Tür in der Wand auf, und rötliches Licht fiel auf den Teppich. Der Beseitiger stand auf und begab sich gemessenen Schritts in das Büro des Herrn des Hauses Nieswurz.
    Fürst Nieswurz saß halb im Schatten, eine gespenstische Erscheinung. Der Beseitiger erkannte darin die Gewohnheit wieder, die er selbst in den eher seltenen Fällen pflegte, daß ihn jemand besuchte; der Teil seines Gesichts, der noch lächeln konnte, zuckte ein wenig, als er sich setzte. Die weiße Blume in ihrer angestrahlten Vase leuchtete zwischen ihnen wie Phosphor.
    »Ein dramatischer Lichteffekt, mein Fürst.«
    Nieswurz schnalzte mit den Fingern, und der Raum im ganzen wurde ein wenig heller. »Du mußt mich entschuldigen. Ich war dabei, nachzudenken.«
    »Eine Beschäftigung, wie sie eines Edelmannes würdig ist.«
    »Und noch würdiger deswegen, weil sie aus der Mode ist, was? Nun, hast du Neuigkeiten für mich?«
    »Nichts, was du nicht bereits wüßtest, mein Fürst.«
    »Ja. So.«
    Eine lange Zeit verging, ohne daß ein Wort fiel.
    »Erkläre mir«, sagte Nieswurz schließlich, »warum du versagt hast.«
    Der Ton des Beseitigers war milde. »Ich habe nicht versagt, mein Fürst. Ich habe nur bis jetzt noch keinen Erfolg gehabt. Vergiß nicht, du wolltest, daß ich anfange, obwohl der Betreffende noch in der anderen Welt war. Als er dem ersten Anschlag entging und herüberwechselte, gewann er damit Tage. Aber der Verfolger hat inzwischen ebenfalls die Welten gewechselt. Ich denke, für dein Opfer sind die Stunden der Freiheit gezählt.« Der Beseitiger gestattete sich ein weiteres kleines Lippenverziehen, das man für ein Lächeln halten konnte. »Wie ich höre, hast du deinerseits einen Versuch unternommen, mein Fürst. Nachdem du so viel ausgegeben hast, um meine

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