Der Blumenkrieg
Das waren sie selbstverständlich nicht: Das Licht selbst war ungewöhnlich, der überirdische, gespenstische Glanz Elfiens, von dem verlockt Erdenmenschen sich erst verirrten und dann ihre Seele verloren …
»Theo!« Apfelgriebs’ Flüstern war so durchdringend, daß man es kaum mehr als Flüstern bezeichnen konnte. »Du mußt es ihr sagen.«
»Warum kann sie uns nicht einfach irgendwo in der Nähe des Hauses von diesem Fingerhut absetzen …?«
Die Lautstärke ihres »Pssst!« war beachtlich. Es fühlte sich an, als ob sie eine Fahrradpumpe in seine Eustachische Röhre gesteckt hätte. Jesses, für so ein winziges Persönchen hat sie echt ein mächtiges Organ, dachte er und verzog das Gesicht. Wie ein gottverdammter Drillfeldwebel im Miniformat.
»Den Teufel werden wir tun und uns zu diesem Schietbüddel bringen lassen!« zischte sie. »Ich hab dir doch gesagt, ich traue Fingerhut nicht. Und außerdem sollst du keine Namen sagen!«
Theo schielte zu Poppi hinüber, die den Kopf auf die Lehne zurückgekippt hatte und mit geschlossenen Augen und einem kleinen Lächeln im Gesicht der Musik lauschte. Sie hielt Theos Hand ziemlich fest. »Okay, aber warum kann sie uns nicht dort absetzen, wo wir wirklich hinwollen?«
»Je mehr sie weiß, um so gefährlicher für uns, darum – und auch für sie, falls du aus irgendeinem Grund Selbstmordgelüste hast und dir mein Leben nicht so viel bedeutet. Wir wollen nicht, daß sie irgendwem mehr erzählen kann, als daß sie uns im Stadtteil Sonnenaufgang rausgelassen hat.«
Er hätte gern widersprochen, doch er wußte, daß Apfelgriebs recht hatte. »Also, wann steigen wir aus?«
»Jetzt. Wir können hier überall einen Bus nehmen.«
»Einen Bus? Mein Gott, als ob Züge nicht schon verrückt genug wären. Gibt es im Märchenland etwa auch Busse?«
»Klappe, du! Willst du dich vielleicht komplett verraten? Jetzt sag’s ihr. Und erwarte nicht von mir, daß ich die Sache irgendwie richte oder dafür sorge, daß du als netter Kerl dastehst.« Sie hob von seiner Schulter ab und flog zur anderen Seite des Wagens auf den gepolsterten Türgriff, wo sie sich mit dem Rücken in die Mulde legte und die Flügel zu beiden Seiten hängen ließ. »Mach!« sagte sie laut.
Poppi öffnete die Augen. »Entschuldige«, sagte sie. »Das ist soviel angenehmer als der blöde Zug. Vaters Verwalter wird natürlich einen Anfall kriegen. Er ist einer von diesen Nissen der alten Schule, die sich aufführen, als ob jeder Pfennig, den man ausgibt, ein Haar wäre, das man ihnen vom Hintern zupft.« Sie kicherte. »O weh, Theo, du mußt mich für eine ganz schlimme Giftspritze halten.«
»Poppi …« Theo haßte es, jemand offen vor den Kopf zu stoßen. Er überlegte, ob ihm eine Halbwahrheit einfiel, aber er konnte Apfelgriebs nicht ignorieren, die ihn mit über der Brust verschränkten Armen vom Türgriff aus grimmig beobachtete. »Poppi, wir können nicht mit dir bis in die Stadtmitte fahren. Du mußt uns hier rauslassen.«
»Was soll das heißen?« Sie blickte von ihm zu Apfelgriebs; die Fee zuckte die Achseln. »Wo wollt ihr hin?«
»Wir … wir müssen eine ganze Reihe von Orten abklappern. Du bist ohnehin schon in Gefahr, weil du uns kennengelernt und uns geholfen hast. Wir wollen dich nicht noch weiter in die Sache hineinziehen.«
»Aber … aber ich dachte …« Ihre Miene wurde hart. »Du hast mich benutzt.«
»Nein! Nein, Poppi, ich schwöre …«
»Du machst dir in Wirklichkeit gar nichts aus mir. Du hast bloß so getan, damit ich euch in die Stadt mitnehme. Ich hätte euch den Schutzleuten überlassen sollen.« Im trüben Licht über dem Rücksitz schien sie bis auf die starr blickenden Augen und den dunklen Strich ihres zitternden Mundes kreideweiß geworden zu sein. »Ihr seid wahrscheinlich Mörder. Nein, dann würdet ihr wenigstens aus echter Verzweiflung handeln. Ihr seid wahrscheinlich nichts weiter als Diebe, armselige, gemeine kleine Diebe!« Sie klopfte an die Trennwand zum Fahrer. »Anhalten!«
»Wie beliebt, Jungfer?« erklang die Stimme des Doonies.
»Du sollst anhalten! Diese Leute steigen aus.«
Der Wagen scherte prompt aus dem langsamen Verkehrsstrom aus und hielt am Bordstein. Die Tür schwang geräuschlos auf, und Apfelgriebs, die immer noch auf dem Griff saß, mußte sich festhalten, um nicht herunterzufallen. Draußen warf die Leuchtreklame eines Spielsalons ein flirrendes blaugraues Licht auf das Pflaster.
»Hör doch, Poppi, wir sind dir sehr dankbar – ich
Weitere Kostenlose Bücher