Der Blumenkrieg
verändert. Wir müssen versuchen, euch zu lesen wie ein Buch in einer Sprache, die wir nicht kennen, und wenn wir mal einen Fehler machen, erklärt ihr uns gleich: ›Ha! Das habe ich nie gesagt! Das kannst du nicht beweisen!‹ Mannometer, du kannst nicht mit einem Mädchen Händchen halten, mit ihr rumknuddeln, ihr erzählen, daß sie schön ist, und dann nur, weil du ihr nicht die Ehe versprochen hast, so tun, als wäre es dir völlig schleierhaft, warum sie außer sich ist, wenn du dich bei der ersten Gelegenheit verpißt.«
Theo schüttelte den Kopf. »Aber du hast sie ja nicht mal leiden können! Du wolltest, daß ich mich von ihr fernhalte!«
»Ich kann sie jetzt besser leiden, wo sie nicht lammfromm deine Entschuldigungen geschluckt hat. Aber du hast recht, ich wollte nicht, daß wir uns überhaupt mit ihr einlassen. Was übrigens, wie dir vielleicht aufgefallen ist, der Grund dafür ist, daß ich keine Fingerspiele mit ihr gemacht und nicht mein Bein an ihrem gerieben habe, wenn ich dachte, meine Begleiterin schläft. Hier rechts.«
»Was?«
»Hier rechts. In dieser Straße hält der Bus in den Stadtteil Morgenhimmel.«
Die Bushaltestelle, eine schnörkelige Bank unter einem kleinen, aber genauso schnörkeligen, blattförmigen Dach, befand sich vor einer verbretterten Ladenfront. Der Namenszug über dem Ladeneingang war weggerissen worden, aber im silbernen Licht der Straßenlaternen konnte Theo immer noch die Schrauben sehen, mit denen die Lettern befestigt gewesen waren, und erkennen, daß dort einmal in der rätselhaften, ihm aber aus irgendeinem Grund lesbaren Elfenschrift »Seerosenblatt Gemischtwarenhandlung« gestanden hatte. Außer ihnen wartete nur noch eine Person an der Haltestelle, ein Goblin, der in sehr straffer Haltung am Ende der Bank saß. Er reagierte nicht, als Theo sich hinsetzte, doch seine auf die Straße gerichtete Aufmerksamkeit veränderte sich in einer Weise, die vermuten ließ, daß er nicht gänzlich geistesabwesend war.
»Okay, du gewinnst«, sagte Theo zu Apfelgriebs. »Du bist der Zenmeister in Beziehungsfragen, und ich bin, was weiß ich, der unbehauene Klotz. Lehre mich.«
Sie lachte sarkastisch. »Als ob ich meine Liste unmöglicher Aufgaben noch verlängern müßte. Benutz einfach dein Hirn, Kollege. Ich denke, du hast welches.«
»Ist das ein Kompliment?«
»Quasi.« Sie runzelte die Stirn. »Wenn das hier der richtige Bus ist, können wir erst noch bei mir zu Hause vorbeischauen, bevor wir weiterfahren zu …«, sie unterbrach sich und sah rasch zu dem Goblin hinüber, der immer noch mit ernster Miene den vorbeirauschenden Verkehr betrachtete, die lange Nase wie einen Finger auf die Straße gerichtet, »… unserem andern Ziel.«
Theo konnte sich nicht mehr erinnern, wohin sie unterwegs waren – zu Fingerhut? Nein, das hatte Apfelgriebs ausgeschlossen. »Wir fahren also nicht direkt zu … wo wir heute abend hinwollen?«
»Mal sehen«, erwiderte sie. »Es wird langsam ein bißchen spät. Aber ich weiß nicht, wo ich dich sonst unterbringen soll.«
»Du hast gesagt, wir würden bei dir zu Hause vorbeischauen. Ich bin nicht sehr wählerisch – ich schlafe gern auch auf dem Fußboden oder sonstwo.«
Sie legte den Kopf schief und blickte fragend, doch bevor sie antworten konnte, kam mit einem summenden Motorgeräusch, das sich nach einem verschlafenen Wespenschwarm anhörte, der Bus um die Ecke und blieb mit leicht quietschenden Bremsen an der Haltestelle stehen. Von der Form her erinnerte er mit seinem Faltenbalg und dem gebuckelten Dach ein wenig an eine Raupe, aber er war dennoch deutlich als Bus zu erkennen.
Ich gewöhne mich schon langsam an die Verhältnisse hier, dachte Theo beim Einsteigen, dann aber erstarrte er doch. Es war nicht die Fahrerin, die ihn erschrecken ließ, eine stämmige, ihm vielleicht bis zur Hüfte reichende Frau mit Eselsohren, die auf einer Art erhöhtem Kindersitz saß und mit ihren in der Luft baumelnden Füßen nur deshalb an die Pedale kam, weil diese extra verlängert worden waren. »Verdammt! Ich habe kein Geld«, flüsterte er Apfelgriebs zu.
»Busfahren kostet nichts«, sagte sie. »Aber das ist eine gute Idee. Wir sollten zusehen, daß wir demnächst an etwas Bargeld kommen, mein Schatzkonto ist ziemlich geplündert.«
Der kleine Goblin war vor ihnen eingestiegen und hatte sich bereits in den hinteren Busteil begeben. Da vorn alles besetzt war, folgte ihm Theo mit Apfelgriebs auf der Schulter. Kaum ein Passagier blickte
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