Der Blumenkrieg
dem Haus Jonquille auf die Rechnung zu setzen, wieder verzogen hatte: Es war eine zum Minirock abgeschnittene und seitlich aufgeschlitzte Nonnentracht.
»Aber Zirus macht doch einen ganz netten Eindruck«, meinte Theo.
»Oh, im Vergleich zu den anderen ist er in Ordnung.« Wuschel hatte sich zwar von seinem anfänglichen Schock erholt, doch er war grämlich und reserviert geworden. »Aber die meisten von ihnen würden nicht einmal auf dich pissen, wenn du brennen würdest.«
»Es sei denn, du lägst auf einem teuren Teppich«, ergänzte Apfelgriebs.
M it andern Worten, egal, welche Sprache ich in meiner Welt gesprochen habe, hier spreche ich auf jeden Fall Elfisch?«
»Du sprichst den Allgemeinen Hauch«, berichtigte Wuschel, der bei der lauten Musik große Mühe hatte, die Konsonanten zu artikulieren. Er hatte drei Gläser auf Zirus’ Rechnung getrunken, und was er dadurch an Heiterkeit gewonnen hatte, hatte seine Aussprache an Deutlichkeit verloren. »Das ist die gemeinsame Sprache aller Elkenvölfer. Mist. Elfenvölker.«
Apfelgriebs, die ihrerseits ein paar Fingerhütchen geleert hatte, kicherte. Sie hatte Theos Schulter verlassen und saß in der Mitte des Tischs.
»Okay, das habe ich soweit kapiert. Aber wenn meine Muttersprache nun, was weiß ich, Arabisch wäre? Nein, Chinesisch. Wäre es dann nicht komisch, wenn ich hierherkäme und würde euch Elfen als Figuren aus alten europäischen Märchen sehen?«
»Das ist eine interessante Frage«, sagte Wuschel und trank sein Glas aus. »Weißt du, Seeo, wir thehen … wir sehen uns nicht so wie ihr. Und wir sehen auch euch nicht so, wie ihr euch seht. Ja?«
»Da komm ich schon nicht mehr mit.«
»Schau, von jeher sind Besucher aus Elfien in die Menschenwelt gekommen. Na ja, wenigstens bis vor kurzem – inzwischen ist der Verkehr durch den Kleeblatteffekt drastisch reduziert worden.« Er runzelte die Stirn. »Und bis vor ganz kurzer Zeit haben auch immer Menschen den Weg nach Elfien gefunden. Was nun den Unterschied zwischen den Namen betrifft, mit denen uns die Menschen bezeichnen, so ist der größtenteils das Ergebnis eurer verschiedenen Sprachen. Du nennst uns Elfen, andere Menschen nennen uns Peris, und die chinesische oder balinesische Bezeichnung ist noch einmal anders. Verstehst du? Aber es gibt noch einen Unterschied. Wobei es übrigens ein Querz war, der das maßgebende Werk darüber verfaßt hat.« Er nickte bedächtig. »Lumbeck Bougram. Vor einigen Jahrhunderten. Er schrieb das großartige Buch Die menschliche Linse. Darüber, wie Menschen es anstellen, zu sehen, was sie sehen wollen. Nichts für ungut.« Er rülpste. »’tschuldigung.«
Theo bemühte sich, aufmerksam zuzuhören – darüber hatte er in dem Bericht seines Großonkels nichts gelesen –, aber ein Elfenjüngling an einem der anderen Tische im Raum rauchte etwas, das sehr nach einer Zigarette in einer langen Zigarettenspitze aussah, und Theo wünschte, er hätte den Mut, eine schnorren zu gehen. Aber damit lachte er sich bestimmt bloß Ärger an, oder? Er versuchte, sich wieder auf Wuschel Segge zu konzentrieren. »Das heißt, ich nehme die meisten dieser Elfen so wahr, wie … wie ich mir Elfen vorstelle?«
»So ungefähr.« Segge hatte das Auge der Kellnerin erhascht und die nächste Runde Drinks bestellt. Theo schüttelte den Kopf. Er hatte bisher nur einen lieblichen Wein getrunken und war hier im Club erst bei seinem zweiten Glas, und trotzdem fühlte er sich bereits schwummeriger, als ihm lieb war. »Wenn du in einer andern Tulkur … Mist… Kultur aufgewachsen wärst, würdest du alles ein bißchen anders sehen und hören.«
Theo hörte bereits nicht mehr zu. Der junge, blonde Elf mit der Zigarettenspitze hatte sich lachend zurückgelehnt. An seiner Seite saß Poppi Stechapfel. »O Jesses«, sagte Theo.
»Das hat nur ganz wenig weh getan«, verkündete Wuschel optimistisch.
»Vilmos, ich hab dir doch gesagt, du sollst das lassen!« fauchte Apfelgriebs ihn an.
»Da … da drüben am Tisch, da sitzt das Mädchen aus dem Zug.« Poppi war heute ganz anders gekleidet, trug nicht mehr ihre dezenten Elternbesuchssachen. In einer Art stilisierter Trauerkluft mit überraschend tief ausgeschnittenem Oberteil und geschminkt wie ein japanischer No-Schauspieler entsprach sie dem Einheitslook ihrer Clique, doch er wußte ohne jeden Zweifel, daß sie es war. Er staunte über den Krampf in seinem Magen. Reue? Oder bloß Eifersucht? Sie hatte den Kopf an den jungen Adeligen
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