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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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zitterte, daß er den Vertrag nicht hätte unterzeichnen können, wenn Fürst Veilchen ihm nicht den Arm gehalten hätte.«
    Theo hatte keine Ahnung, was es mit alledem auf sich hatte, obwohl es vage Anklänge an Bemerkungen gab, die er im Buch seines Großonkels gelesen hatte. Er tat sich schwer damit, klar zu denken, und wünschte sich, er hätte keinen Wein getrunken. Ein feiner Nieselregen ließ die spukigen Lichter des Stadtzentrums auf den Autoscheiben zu unscharfen silbernen, grünen und blauen Klecksen verschwimmen, doch die Umgebung draußen schien eher dunkler als heller zu werden, so als ob sie die gut beleuchteten Viertel hinter sich ließen. Nach einer langen finsteren Strecke, unterbrochen nur hin und wieder von einer Straßenlaterne, bremste die Kutsche ab und hielt an.
    »Was ist?« Wuschel Segge wirkte nicht nervös, nur verwirrt, aber andererseits hatte er wahrscheinlich weniger Grund, sich Sorgen zu machen, als Theo.
    »Kontrolle«, erklärte Zirus. Theo erkannte undeutlich etwas Dunkles, das den Weg versperrte, eine Art Wand. Es gab einen leisen Wortwechsel, in dem ihr Fahrer nicht besser zu verstehen war als die Wachposten oder was sie sonst waren, dann setzte sich die Kutsche wieder in Bewegung, diesmal jedoch langsamer.
    »Da ist es«, sagte Zirus. »Die Nieswurz-Residenz. Verrückte Hunde allesamt, aber ihr müßt zugeben, das Ding hat Stil.«
    Theo erkannte so gut wie gar nichts, bis der junge Narzissenprinz fingerschnalzend auf die Tür deutete, woraufhin das Fenster lautlos herunterglitt und ein leichter Sprühregen hereinkam. Nachdem Theo sich das Wasser aus den Augen gezwinkert hatte, sah er das riesenhafte bleiche Bauwerk.
    Es war ein derart fremdartiger Anblick, daß er einen Moment brauchte, um die richtige Perspektive zu bekommen. Wenn es mehr einem Bürohochhaus oder einem Burgturm geglichen hätte, wäre das Problem nicht aufgetreten, aber es sah ganz nach einer abstrakten elfenbeinernen Schachfigur aus, wie ein sehr schlanker Turm oder eine raubgierige Königin. Es war nicht rund wie die Narzissentürme, sondern allem Anschein nach viereckig, doch keine der Seiten, die Theo von seiner Position aus erkennen konnte, war ganz rechteckig, obwohl es den Eindruck machte, als wären sie das ursprünglich gewesen. Der ganze Bau wirkte verzerrt, so als ob eine große Hand ihn bei seinem spitzen, vielgiebligen Dach – ein merkwürdiger Gegensatz zur sonstigen Klarheit der Linien – gefaßt und wie einen knochenfarbenen Sahnebonbon mit einem Ruck in den dunklen Himmel gezogen hätte. Er wurde von sorgfältig plazierten Scheinwerfern angestrahlt, manche davon rötlich getönt, und alle Fenster waren schwarz. Er sah aus wie der Panzer eines exotischen Tieres oder ein Schädel mit Hunderten von Augenhöhlen.
    »Das … das Haus gefällt mir nicht.« In Theos Abneigung mischte sich ein Gefühl, das er nicht recht ausdrücken konnte, eine außerirdische Kälte, die ihn mit jäher Wucht überfiel. Es erinnerte ihn unangenehm an irgend etwas – einen Albtraum? –, doch er kam nicht darauf, was es war. Er wußte nur, daß er Mühe hatte, Atem zu schöpfen, und daß er wünschte, woanders zu sein.
    »Wieso sollte es dir gefallen?« fragte Apfelgriebs. »Es wohnen keine sympathischen Leute drin.« Wuschel Segge stierte nur aus dem Fenster und murmelte vor sich hin – der Querz, erkannte Theo, war gründlich betrunken.
    »Wartet ab, bis ihr den Club seht«, sagte Zirus. »Der ist echt interessant.«
    Theo hatte mittlerweile das Wort »interessant« mehrmals von Fürstin Ämilia und ihrem Sohn gehört. Ihm kam allmählich der Verdacht, daß es für sie zwei verschiedene Bedeutungen hatte und daß keine von beiden mit der ihm bisher geläufigen Definition des Wortes übereinstimmte. Die eine war »grauenhaft«. Die andere war »besonders grauenhaft für Menschen«.
    »Ich glaube, ich will keine interessanten Sachen mehr sehen«, teilte er mit, aber es war natürlich viel zu spät. Sie waren bereits in der Auffahrt zum Haupttor. Ihm war zumute, als ob etwas auf ihn wartete, etwas Furchtbares. Er hoffte, es lag nur daran, daß er den Elfenwein nicht gewohnt war.
    Zuerst hatte es den Anschein, als würde es noch schlimmer werden als gedacht – die ungeschlachten Oger vor dem mächtigen Tor, die in den Wagen hineinleuchteten, die lange Wartezeit, die nach Theos fester Überzeugung nur damit enden konnte, daß sie alle aus dem Auto gezerrt und in Handschellen oder in den Stock gelegt wurden, oder mit

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