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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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welchem Zwangsmittel man im Elfenland sonst Verbrecher festhielt.
    Apfelgriebs war auf seine Schulter umgesiedelt; er fühlte sie dort sitzen, ein hartes, angespanntes kleines Ding, das nur aus Sprungfedern und Knoten zu bestehen schien. Ihm kam der Gedanke, daß er den Fahrer bis jetzt gar nicht gesehen hatte, und damit plötzlich der Verdacht, das Wesen am Steuer könnte einer der leichenblassen Hohlrücken und diese ganze Episode eine geschickt gestellte Falle sein. Statt dessen jedoch traten die Oger zurück, und die Limousine fuhr langsam weiter durch einen abermaligen Regenschauer, der gegen die Windschutzscheibe prasselte, und dann durch einen dunklen und beunruhigend langen Tunnel, der ungefähr fünf Sekunden, bevor Theos Paranoia den kritischen Punkt erreichte, in einer unterirdischen Parkgarage endete. Benommen folgte er Wuschel Segge, der genauso widerwillig auszusteigen schien wie er. Zirus Jonquille mußte sie beide fast mit Gewalt aus dem Wagen schieben. Während sie durch die hallende, silbrig erleuchtete Garage schritten, schaute Theo sich nach der Limousine um, konnte aber das Gesicht des Fahrers durch die abgetönten Scheiben nicht erkennen.
    Beim Warten auf den Aufzug spürte Theo bereits das Wummern der Musik in den Füßen, ein Gefühl, als ob ein riesengroßes Ungetüm durch den Boden zu brechen versuchte. Ein paar andere junge Elfenedle gesellten sich zu ihnen. Sie lachten laut und unterhielten sich so schnell und in einem so ausgeprägten Slang, daß Theo kein Wort verstand. Er ließ sich willenlos in den Aufzug bugsieren.
    Als die Tür oben aufging, schlug ihm der Lärm entgegen wie eine Explosion, ein donnernder Baß und komplizierte Polyrhythmen, denen er nicht recht folgen konnte, überlagert von den hohen Tönen eines klarinettenähnlichen Blasinstruments. Zwei mächtige graue Hände klopften ihn rauh, aber flüchtig ab und schoben ihn dann weiter in den Trubel, die blinkenden Lichter und die Massen extravagant gekleideter (zum Teil auch fast nackter) und fast durchweg umwerfend schöner junger Elfen. Durchsichtige Gestalten kreiselten zwischen den Tänzern in der Luft, Gestalten, die sehr wie Gespenster aussahen und die wie Seifenblasen platzten, wenn die Tänzer sie berührten. Doch nichts überwältigte ihn dermaßen wie die Erkenntnis, was der Club tatsächlich darstellen sollte.
    Eine Kirche …! Er hatte sich über den Namen, eine andere Bezeichnung der Schwarzen Nieswurz, nicht sonderlich gewundert und irgendwelche dekadenten Schockeffekte mit mythologischen Anspielungen erwartet – bluttriefende weiße Blüten und dazwischen Elfinnen in dionysischer Raserei oder ein abgebrannter Stall von Bethlehem. Statt dessen hätte er im Altarraum einer katholischen Kirche sein können, allerdings einem riesengroßen. Es gab von hinten beleuchtete Buntglasfenster und nahe der hinteren Wand einen einfachen Altar unter einem großen Kruzifix, von dem selbst die am wildesten tanzenden Elfen in ihrer schicken Garderobe einen respektvollen Abstand wahrten. Dabei war der Jesus am Kreuz noch nicht einmal einer von der extrem gemarterten, blutigen Sorte, die er in seiner Globetrotterzeit in mexikanischen Kirchen bestaunt hatte. Er wollte gerade zu Wuschel Segge etwas dazu sagen – eigentlich etwas brüllen, da etwas anderes kaum möglich war –, als der Querz gegen ihn taumelte und beinahe hinstürzte.
    »Das … ist … entsetzlich«, jammerte Wuschel.
    »Wir müssen ihn hier rausschaffen«, schrie Apfelgriebs Theo ins Ohr.
    »Ist er betrunken?«
    »Es ist deswegen.« Sie deutete mit einem winzigen Händchen auf das Kruzifix. »Diese Leute hier … sie sind alle verrückt. Krank.«
    Und plötzlich fiel ihm wieder ein, wie sie ihn wegen seiner Flüche angefahren hatte, und er begriff, daß es die christlichen Symbole selbst waren, die diesen Laden so anrüchig machten. Horrorbilder irgendwelcher Art waren gar nicht nötig: Was die übersättigten Jungadeligen Elfiens anzog, war keine pervertierte Christrosensymbolik, sondern das obszöne Spiel mit dem Menschenheiland Jesus Christus.
    »Wo wollt ihr hin?« schrie Zirus. Er hatte bereits irgendwo etwas zu trinken aufgegabelt. »Ist das nicht irre? Sie haben sogar Bischof Silber für die Musik engagiert. Er hat die ganzen großen alten Musikzauber drauf, alle wollen ihn haben. Er ist mit Abstand der spukigste Liedschmied in der Stadt. Macht seine eigenen Phantasmen, ehrlich.«
    Theo winkte genervt ab. Er vermutete, daß die Phantasmen die

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