Der Blumenkrieg
unseren Gegnern nicht einfach freie Hand lassen konnten. Und warum wir in bezug auf deine Person ein bißchen neugierig wurden.«
»Aber warum ich? Das begreife ich immer noch nicht. Mit den Gegnern meinst du diese Dings, diese Nieswurzen und Stechäpfel, nicht wahr? Wozu in aller Welt könnten die mich brauchen?«
»Das wissen wir nicht«, räumte Stockrose abermals ein. »Aber zweifellos werden sie sehr verärgert sein, wenn sie hören, daß du hier bei uns bist.«
»Ihr wollt es ihnen sagen?«
»Seine verfluchten Fragen nehmen überhaupt kein Ende«, bemerkte Fürst Narzisse. »Seine wahre Abstammung mag sein, wie sie will, aber seine menschliche Erziehung schlägt deutlich durch.« Er klang, als ob er das nicht besonders begrüßenswert fände.
»Ach ja? Ich dachte, ihr wärt eine der Familien, die Menschen mögen.«
Narzisse sah ihn an wie aus großer Höhe, was in gewisser Weise auch der Fall war. »Wir Symbioten sind nicht der Ansicht, daß die Menschen vernichtet werden sollten, sondern wir denken, daß die zwei Völker einen Weg finden müssen, nebeneinander zu existieren. Das ist schwerlich dasselbe wie sie zu mögen.«
Müde und bedrückt setzte Theo sich in seinem Sessel zurück. Er war vielleicht kein Mensch, aber er fühlte sich wie einer und dachte wie einer. Es war kein Vergnügen, ständig damit konfrontiert zu werden, wie sehr alle hier seinesgleichen verabscheuten. »Nun gut, entschuldige meine menschliche Grobheit, aber ich würde immer noch gern wissen, warum ihr den Leuten, die mich umbringen wollen, verraten möchtet, daß ich hier bin.«
»So richtig umbringen scheinen sie dich gar nicht zu wollen«, bemerkte Stockrose, der immerhin mit Theo reden konnte, als ob sie beide gleichberechtigte Wesen wären. »Auch das ist rätselhaft. Wir wollen genauso dringend wie du wissen, weshalb diese Leute Jagd auf dich machen. Wenn sie von deiner Anwesenheit hier erfahren, hoffen wir, daß sie denken, wir wüßten Bescheid, und daß sie dann entweder ihren Plan aufgeben oder ihn ausplaudern.«
»Aha, ich bin also der Wellensittich im Bergwerksschacht oder was das sonst für ein Vogel ist. Sei ehrlich, so ist es doch gemeint, nicht wahr? Ihr wollt rausfinden, ob ich wirklich wichtig bin, indem ihr probiert, ob sie noch einmal versuchen werden, mich umzubringen.«
»Selbst wenn sie dich umbringen wollten«, sagte Fürst Narzisse, »würden sie es nicht wagen. Nicht solange du unter meinem Schutz stehst. Das könnte zum nächsten Blumenkrieg führen, und den will niemand, nicht einmal die hitzköpfigsten Exzisoren wie Nieswurz.«
Theo schaute aus dem Fenster. Jenseits der Mauern der Narzissen-Residenz erstreckte sich die Stadt, so weit das Auge reichte, mit Ausnahme der großen dunklen Fläche des Ys, des Sees oder Meeres oder was es sonst war, wo sich Schiffe tummelten, die wie silberne Klipper aussahen. Die Wolken waren zum größten Teil durchgezogen, und der Himmel zeigte wieder ein klares, wenn auch mattes Blau. Theo wurde zum erstenmal bewußt, daß er hier zwar moderne Züge und Autos gesehen hatte, aber noch keinerlei Flugzeuge. Lag das daran, daß einige dieser Leute selbst fliegen konnten? Aber die Reichsten und Mächtigsten hatten keine Flügel, diese Theorie konnte also nicht stimmen. Konnte es etwas mit den laufenden topographischen Veränderungen zu tun haben, mit der Art, wie die Bahnhöfe sich verschoben und so weiter? Er wollte sich gerade danach erkundigen, als Fürst Stockrose plötzlich sagte: »Das muß sehr schwer für dich sein, Junker Vilmos, nicht wahr?«
Überrascht drehte er sich um. Er rechnete damit, daß er verspottet werden sollte, doch falls der Elfenfürst es nicht aufrichtig meinte, verbarg er es gut. »Ja«, antwortete Theo. »Ja, um die Wahrheit zu sagen, das ist es. Man hat mich aus meinem gewohnten Leben in eine Welt verschleppt, von der ich vorher keine Ahnung hatte, ich werde von Monstern und einem Haufen anderer Fabelwesen gejagt – jedenfalls sind es für mich Fabelwesen, nichts für ungut. Und jetzt muß ich auch noch erfahren, daß ich in Wirklichkeit gar kein Mensch bin, daß meine Eltern gar nicht meine Eltern waren. Ja, das ist alles ein bißchen happig.«
»Bitte glaube mir, daß uns an den meisten dieser Dinge keine Schuld trifft«, sagte Stockrose. »Daß wir wahrhaft versucht haben, dir zu helfen.«
»M-hm. Ja, ich weiß schon. Ich bin vielleicht stinksauer, aber ich bin auch dankbar, besonders für Apfelgriebs. Sie hat mir das Leben
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