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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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und verwirrend: Er hatte keine Ahnung, wie spät oder auch nur welche Tageszeit es war, kein Gefühl dafür, wie lange er gebraucht hatte, um aus dem Tagungszentrum zu kommen.
    Nur einige Dutzend Schritte hinter der sternförmigen Kreuzung wurde es heiß im Korridor, und Theo beschlichen schlimmste Befürchtungen, wenn er an den Hauptturm über seinem Kopf dachte. Noch einmal zwanzig Schritte, und er schwitzte heftig. Plötzlich endete der Gang an einer Stelle, wo die Decke eingebrochen war und eine Wand aus schwach qualmenden Trümmern den Weg versperrte.
    O Gott. Hier also auch.
    Er blieb schwankend stehen. Es war deutlich, daß die Zerstörung über ihm allumfassend sein mußte und daß sie selbst bis hier herunter reichte, ein Stockwerk unter dem Erdgeschoß. Was bedeutete, daß er sich soeben in den akut einsturzgefährdeten Teil eines weiteren ruinierten Gebäudes begeben hatte.
    Aber hier unten ist es nicht so schlimm wie dort, wo ich vorher war. Er klammerte sich an diesen Gedanken. Sie könnte da drinnen in der Falle sitzen, nur weil die Türen klemmen. Er konnte nicht länger unschlüssig herumstehen, denn es war furchtbar heiß und wurde mit jedem Moment heißer. Er zog sich den Jackenärmel über die Finger und betastete zaghaft den aufgetürmten Schutt, um einen Punkt zu finden, wo er gefahrlos Druck ausüben konnte, doch nichts rührte sich, als er schob. Er drehte sich um und ging zurück.
    Theo band das als Mundschutz dienende Hemd fester und wischte sich die tränenden Augen, als er wieder den Fünfstern erreichte. Er wählte einen der beiden unmittelbar benachbarten Gänge und folgte diesem, bis er abermals vor einer Stelle stand, wo die eingestürzte Decke ihn zur Umkehr zwang.
    Goldene Käfer mit verkohltem Panzer fielen ihm aus den Rissen in der Decke auf Kopf und Schultern und zerbarsten knirschend, als er im Weitergehen auf sie trat. Wenigstens war das brummende, brabbelnde Stimmengesprudel endlich verstummt, genau wie vorher die Heinzelstimme. Er nahm den nächsten Korridor und folgte einem Zickzack verschiedener Abzweigungen, wobei er aufmerksam auf die Richtung zu achten versuchte, in die er gehen wollte, doch er hatte keine Gelegenheit gehabt, sich mit dem Plan des Hauptturms vertraut zu machen, und unterirdisch fiel die Orientierung noch schwerer. Verzweifelt und zerschlagen blieb er vor der nächsten Wand aus Deckenbruch stehen, doch als er gerade ein weiteres Mal umkehren wollte, sah er, daß eine der offenen Türen am Rand des Schuttberges in einen kurzen Durchgang und zu einer anderen Tür führte.
    Theo bahnte sich den Weg durch die Trümmer, und mit seiner Jacke geschützt schob er schwere Balken beiseite, deren verkohlte Ränder stellenweise noch glühten. Als er die andere Tür erreichte, mußte er feststellen, daß sie auf der Rückseite von einem Hindernis blockiert war, doch schließlich gelang es ihm, sie aufzudrücken. Ein Arm fiel quer über den Spalt, als er hindurchtrat, so daß er beinahe gestolpert und eine Treppe hinuntergestürzt wäre. Die Elfenleiche zu seinen Füßen war von einem großen Metallteil zermalmt worden, das nach seinem mörderischen Werk weiter den offenen Treppenschacht hinuntergepoltert war. Ungefähr auf halbem Wege nach unten war das Belüftungsrohr, oder was es sonst darstellte, steckengeblieben, ein schwarz beschmierter silberner Brocken.
    Weder der Leichnam noch das heruntergefallene Rohr fesselten seine Aufmerksamkeit sehr lange, denn dahinter bot der ganze weitläufige Raum – sichtbar nur, weil der Rauch zum großen Teil durch das Loch in der Decke nach oben gesaugt wurde – ein einziges bestürzendes Bild der Verwüstung.
    Theos erster Gedanke war, daß er durch irgendeine unbegreifliche Elfenmagie aus der Narzissen-Residenz hinausbefördert worden war und jetzt den ganzen Schauplatz der Vernichtung von einem hochgelegenen Standort überblickte. Er brauchte einen Moment, um zu erkennen, daß er vielmehr eine Art kleinformatiges Spiegelbild des Ganzen vor sich sah.
    Die Decke des riesigen Gewölbesaales, der die Narzissenwabe beherbergte, war heruntergekracht, und die brennenden Balken und zerschmetterten Röhren und Baustoffe hatten das Zentrum der Wabe förmlich zerbombt und das übrige in Brand gesteckt. Noch immer schossen hier und da Flammen zu der nicht mehr vorhandenen Decke empor und füllten die Luft mit einem Asche- und Funkentreiben, einem solchen Gestöber weißer Flöckchen und rötlicher Glitzerteilchen, daß der große Raum den

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