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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die von den wirbelnden Winden emporgetragen und wieder zu Boden gedrückt wurden. Sie fanden eine Bushaltestelle und warteten mehr bang als hoffend, doch nach einer Viertelstunde war klar, daß keine Busse fuhren.
    »Wir müssen den Abstand zwischen uns und diesem Ding vergrößern«, sagte Theo. »Wir können es wahrscheinlich nicht völlig abschütteln – es ist mir den ganzen Weg von meiner Welt auf den Fersen geblieben und hier dann seit dem Bahnhof, wo es Rufinus’ Körper angenommen hat –, aber wir können etwas Zeit gewinnen.«
    »Schauen wir, daß wir eine Hauptstraße finden«, schlug Wuschel vor.
    Es kam Theo beinahe grausamer vor als die ganzen Greuel, die er überlebt hatte, daß er trotz seiner Müdigkeit und Zerschlagenheit weitergehen und schon wieder einen Fuß vor den anderen setzen mußte. Die Straßen waren so leer, daß er sich fragte, ob Nieswurz und seine Exzisorenarmee sich vielleicht nicht damit begnügt hatten, ihre Feinde anzugreifen, ob sie nicht obendrein die gesamte Bevölkerung Elfiens auf irgendeine Weise vernichtet hatten. Doch als sie in ein Viertel kamen, das eher nach einer Einkaufsgegend aussah, erblickten sie Anzeichen anderer Lebewesen: ein am Ende der Straße vorbeifahrendes Auto, aus Obergeschoßfenstern lugende Gesichter und schließlich eine Schlange von Leuten, die vor einem kleinen Kaufladen anstanden – wohl um Hamsterkäufe zu machen, stellte Theo sich vor.
    Als Wuschel plötzlich auf die Straße hinaushumpelte, konnte Theo nur verblüfft hinterherschauen. Im nächsten Moment kam ein winziger Kleinlaster aus einer Nebenstraße heraus und wollte schon weiterfahren, doch Wuschel konnte ihn gerade noch abfangen, unterhielt sich eine Weile mit dem Fahrer und winkte dann Theo herbei.
    »Es ist das Ende der Welt«, sagte der kleine bärtige Mann am Steuer soeben, als Theo näher trat. Seine Haut hatte einen bläulichen Ton, und er hatte Ohren wie eine Känguruhratte. »Ehrenwort. Ich fahre aufs Land nach Birke, wo meine Verwandtschaft wohnt. Ihr wärt gut beraten, mitzukommen.«
    Der Laster hatte die passende Größe für seinen zwergenhaften Besitzer: Da Theo und Wuschel nicht in das winzige Führerhäuschen paßten, streckten sie sich auf der Ladefläche aus und machten es sich dort so gemütlich, wie das inmitten eines Arsenals von absonderlichen Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen möglich war, die aussahen, als könnte man sie nur dazu gebrauchen, andere Gegenstände damit zu beschweren und diese so am Wegwehen zu hindern. Der kleine Laster fuhr elend langsam, doch es war herrlich, nicht zu Fuß gehen zu müssen, und bei den wenigen anderen Fahrzeugen auf der Straße kamen sie recht gut voran. Die bauchigen schwarzen Rauchsäulen schienen auf Theo herunterzustarren wie ungeheuerliche Schlangengötter, doch selbst das hielt ihn nicht davon ab, auf der holpernden Fahrt immer wieder einzunicken.
    Als er schließlich mit gräßlichen Kopfschmerzen aufwachte, wurde er gewahr, daß der Lastwagen angehalten hatte und Wuschel versuchte, ihn zum Aussteigen zu bewegen. Der Fahrer wartete ihren Dank nicht ab: Sobald sie beide auf der Straße standen, legte er den Gang ein und tuckerte davon.
    Er schien sie vor einem öffentlichen Park abgesetzt zu haben. Theo war das gleichgültig. Er ließ sich von Wuschel einen Kiespfad hinunter und dann davon ab in einen kleinen Hain führen. Sie arbeiteten sich ein Stück weit in ein Efeugestrüpp hinein, das einen ganzen Hang überwucherte, und ließen sich fallen. Nach wenigen Sekunden war Theo in die Tiefen des Schlafs gestürzt wie ein Stein in einen Brunnen.

 
27
Knopfs Brücke
     
     
    S ein erster Traum war ein surrealer Horror: Er kaute und kaute auf etwas herum, das sich gegen ihn wehrte, ja, das regelrecht in seinem Mund zappelte. Er war von finsterer Freude erfüllt, aber auch entsetzt über seine rücksichtslose Grausamkeit, gleichzeitig begeistert und abgestoßen. Andere Träume kamen, die gewöhnlicher, aber nicht weniger schrecklich waren und in denen er Bilder von winzigen Körpern sah, die in seinen ungeschickten Händen zu Staub zerfielen, von einer Art Mulch aus schwarz verbrannten Flügeln, die unter seinen Füßen raschelten wie eine Schicht verkohlter Zwiebelschalen.
    Zitternd wachte er unter einer dünnen Mondsichel auf. Es war kalt und dunkel, und alles tat ihm weh. Er war allein an einem Hang, in Efeu verheddert. Er war allein.
    »Wuschel!« Theos Stimme war ein rauhes Krächzen, und vor Anstrengung mußte er

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