Der Blumenkrieg
Rainfarn gesehen. Aber der war es gar nicht, es war sein Verwandter Rufinus oder jedenfalls sein wandelnder Leichnam. Und natürlich fand sie das ein wenig verwunderlich, weil er das letzte Mal, wo wir ihn gesehen hatten, so ziemlich mausetot gewesen war. Sie zog also los, um herauszufinden, was einer, der sich unserer Meinung nach die Radieschen von unten beguckte, vor der Narzissen-Residenz zu suchen hatte.« Er nickte. »So muß es gewesen sein.«
»Du willst damit sagen, daß sie losging, um diesen … dieses Monster näher in Augenschein zu nehmen? Das Monster, das dich ermorden wollte? Das uns verfolgt hat?«
»Ja, genau.« Seine Zufriedenheit verflog, als er begriff, worüber der Querz sich Sorgen machte. Sie starrten eine Weile schweigend in die Flammen. Es gab nichts mehr zu reden. Sie hatten wenig Anlaß zur Hoffnung, keinerlei handfeste Gründe, um Mut zu schöpfen. »Und was hast du beim Brennholzsammeln gehört?« fragte Theo zuletzt.
»Es herrscht Krieg, der totale Krieg.« Wuschel seufzte und stocherte das Feuer auf. »Die Spiegelströme sind voll davon. Nieswurz und Stechapfel und ihre Verbündeten behaupten, sie hätten es nur getan, weil ihnen ein Angriff drohte, es wäre Notwehr gewesen. Natürlich glaubt ihnen das niemand, aber es hat auch niemand die Macht, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Sie haben Parlamentstruppen in der ganzen Stadt ausgeschickt, die nach sogenannten ›Verschwörern‹ suchen, womit im Grunde alle gemeint sind, die sie als ihre Feinde ansehen.«
»Leute wie du und ich.«
Wuschel lächelte. »Wie du. Ich könnte wahrscheinlich noch Unwissenheit vorschützen und die Erlaubnis erhalten, aufs Land zurückzugehen und dort Ziegen zu hüten oder etwas in der Art.« Sein Lächeln verging. »Es sei denn, die bloße Tatsache, daß ich dich kenne, macht mich auch schon zu einem Feind.«
»Ich glaube nicht, daß du versuchen solltest, das herauszufinden«, sagte Theo. »Das Verhör könnte sehr unangenehm für dich werden.«
Wuschel atmete lange und tief aus. »Tja, dann bin ich wohl auch ein Flüchtling.«
»Das heißt, das war’s? Es ist alles aus? Nieswurz hat die Residenzen seiner Feinde niedergebrannt, und jetzt ist er der Sieger?«
»Ganz so einfach ist es nicht. Zum einen hat er viele der anderen Adelshäuser dazu gebracht, die Sache noch einmal zu überdenken, auch wenn sie im Augenblick nichts sagen und nichts unternehmen werden. Denn wie kann man einem trauen, der dreien seiner ältesten Verbündeten so etwas antut? Nieswurz und die anderen Exzisoren haben zur Zeit die Oberhand, gar keine Frage, aber es wird ihnen gehen wie den alten Königen der Riesen, die über Leichen auf ihre Throne stiegen und dann immer mit einem Auge offen schlafen mußten, damit sie ihrerseits nicht von ihrem Mörder überrumpelt wurden.« Wuschel sagte es mit bitterer Befriedigung. »Und das ist noch nicht alles. Den Gerüchten zufolge – den nüchternsten und glaubwürdigsten, die ich heute abend gehört habe – sind viele Leute aus den Häusern entkommen oder waren gar nicht darin, als der Angriff losging, darunter auch Fürstin Jonquilles Sohn Zirus. Es heißt, er habe bei einer anderen Familie Zuflucht gefunden und plane, ein Heer aufzustellen und den Widerstand zu organisieren. Das Studium der Geschichte zeigt, daß die ersten Berichte fast immer falsch sind, aber es könnte trotzdem sein, daß Nieswurz und die anderen nicht so gründlich aufgeräumt haben, wie sie es vorhatten.«
»Na ja, uns nützt das nicht sehr viel«, meinte Theo. »Wir haben keine einflußreichen Freunde. Andererseits schien Zirus dich ganz gern zu haben. Würde er uns aufnehmen?«
»Schon möglich. Falls wir ihn finden könnten. Aber natürlich wird im Augenblick niemand zugeben, daß der Neffe von Fürst Narzisse sein Gast ist – nicht solange Nieswurz und Stechapfel mit dem Parlament der Blüten verfahren, als ob es ihr privater Nektarladen wäre.«
»Also, was machen wir? Hierbleiben?«
»Einen Tag vielleicht, aber hier draußen im Wald sind wir zu ungeschützt. Wir wissen nicht, wie lange dieser Untote braucht, um dich aufzuspüren, und dieser Park hat auch in besseren Zeiten bei Nacht ein gewisses Werwolfproblem …«
»Du brauchst nicht weiterzureden.« Theo rutschte näher ans Feuer. Daß sich in der Dunkelheit des Elfenlandes fast alles herumtrieb, was man sich vorstellen konnte, war, wie er inzwischen begriffen hatte, nicht nur möglich, sondern sogar höchst wahrscheinlich. »Und worauf haben
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