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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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anschauten, sah er nichts anderes – keine Ablehnung, keine Feindseligkeit. Er atmete auf. Er wollte kein amerikanischer Tourist sein, der einfach in anderer Leute Zeremonien hereinplatzte, aber falls die Körpersprache der Goblins nicht das direkte Gegenteil von der ihm geläufigen bedeutete, schienen sie nichts dagegen zu haben, sondern es gutzuheißen und zu genießen. Er schwelgte abermals in der Musik, ließ die sorgenvollen Gedanken von sich abgleiten, bis er den Platz wieder fand, an dem er gewesen war. Das Loch in der Musik führte ihn immer weiter, wie ein Glühwürmchen jemanden über abendliche Hügel, wie ein Irrlicht ihn durch mitternächtliche Sümpfe führt. Er tat sein Bestes, um der Führung zu folgen, um den Raum zu füllen, ohne ihn vollständig einzunehmen, um sich von der Musik umatmen zu lassen. Wenn er sich krampfhaft bemühte, wenn er zuviel nachdachte, verirrte er sich, doch wenn er einfach seinem Gefühl freien Lauf ließ, war das helle Etwas vor ihm und leitete ihn durch eine Welt, die ihm ganz und gar fremd und doch auch schon ein klein wenig vertraut war.
    Das bin ich, dachte er, als die Musiker donnernd mit einem lauten, dissonanten Break einfielen, und er schöpfte Atem. Er war high, schwindlig, glücklich. Je mehr er sich selbst vergaß und sang, um so mehr hatte er das Gefühl, er selbst zu sein. Was ich auch sonst noch sein mag, Mensch oder nicht, ich bin ein Sänger. Das kann mir niemand nehmen.
    Das wilde Crescendo schwoll ab. Eine Weile machten nur noch die Trommeln weiter mit einem sanften, erwartungsvollen Tippeln, leise wie ein kleiner Stein, der einen steilen Abhang hinunterkullert. Dann begann das paddelförmige Instrument zu zwitschern wie eine Amsel in einem kahlen Baum, und Theo antwortete mit einem hohen, klagenden Heulen wie der Wind, und seine Worte und Gedanken vergingen, und er verschwand wieder in der Musik.

 
29
Das Loch in der Geschichte
     
     
    V ieles andere am Elfenland mochte enttäuschend oder erschreckend sein, sagte sich Theo, während er den nächsten langen Zug aus der Elfenbeinpfeife nahm und die Sterne bestaunte, die am Firmament hingen wie brennende Napalmbrocken, aber die Sterne, die waren den Eintrittspreis beinahe wert. Da stand auf einmal Wuschel vor ihm.
    »Theo, ich suche schon überall nach … Was machst du da?«
    Er behielt den Rauch noch ein paar Sekunden drin, bevor er antwortete. »Gemütlich mit ein paar neuen Freunden zusammensitzen. Geistkraut rauchen.« Er wandte sich den Goblinmusikern zu. »So heißt es doch, nicht wahr? Geistkraut?« Die Musiker waren schon vorher nicht besonders gesprächig gewesen, aber bei Wuschels Erscheinen waren sie alle verstummt. »Na, egal«, meinte Theo. »Es ist ziemlich cool. Willst du mal ziehen?«
    »Nein!« wehrte Wuschel ab. »Nein. Du gibst dieses … Ding jetzt lieber zurück. Wir sind spät dran. Wir werden Knopfs Geschichte verpassen.«
    Theo zuckte die Achseln. »Die hier sagen, daß er niemals anfängt, bevor alle, die da sein sollen, auch da sind. Stimmt’s, Korken?«
    Der Spieler des Saiteninstruments nickte bedächtig. »Er kennt immer den richtigen Zeitpunkt.«
    »So … na ja, aber ich denke, wir sollten trotzdem gehen, Theo. Wir haben noch etwas zu bereden.«
    Theo gab Korken die langstielige Pfeife zurück, und dieser klopfte die Asche an seiner nackten Ferse aus und steckte sie in seinen weiten Mantel. »Okay. Also, vielen Dank, Freunde. Auch dafür, daß ich mit euch singen durfte.«
    »Du hast mit ihnen gesungen?« Wuschel wirkte ungewöhnlich erregt. »Theo, du hast dir doch nicht etwas geben lassen, das Philtron heißt, oder?« Er dämpfte die Stimme. »Oder … Pitzelstaub?«
    Die Goblinmusiker sahen sich an und begannen sich zu zerstreuen. Einer von ihnen summte eine getragene Melodie vor sich hin. Korken erwiderte Theos Blick und schmunzelte in sein Gesichtsfell. Manche Dinge waren anscheinend weltenübergreifend, und dazu gehörte die Art, wie Musiker auf spießige Typen reagierten.
    Wuschel nahm ihn am Ellbogen und schleifte ihn praktisch davon. »Mann, was ist los?« fragte Theo. »Diese Leute waren nett zu mir.« Aber er konnte sich nicht groß aufregen. Das Geistkraut war in einige der zugigeren Ritzen seines Hirns gekrochen und hatte sie abgedichtet. Ihm war warm, und er fühlte sich mit der ganzen Welt verbunden, von den lodernden Sternen abwärts. »Was ist dieser Pitzelstaub für ein Zeug, daß du dich deswegen so aufführst? Wird man davon süchtig oder was?«
    »Ja,

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