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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der Menge standen, als daß er sie hätte sehen können, war es, als ob er tatsächlich nur noch auf sie gewartet hätte, denn das Knäuel in der Brückenmitte teilte sich plötzlich, und eine kleine, schlanke Gestalt trat an den Rand vor. Theo war sich nicht ganz sicher, hatte aber den Eindruck, daß neben den zwei Ogerleibwächtern als einer von Knopfs Begleitern Caradenus Primel stand, der Elf, der versucht hatte, ihn zu töten. Wenigstens sah Primel nicht aus, als ob er stolz auf sich wäre: Soweit Theo sein langes Gesicht aus der Entfernung erkennen konnte, war der Elf genauso bedrückt wie Wuschel Segge.
    »Bei der Pfahlwurzel, wie viele von euch heute hier sind!« sagte Knopf gutgelaunt und ließ den Blick über die Menge schweifen. Aus irgendeinem Grund, ob durch die besonders günstige Akustik oder durch Magie von der elfenüblichen Art, drang seine Stimme an Theos Ohren, als ob der kleine Goblin direkt vor ihm stünde. »So viele sind seit dem furchtbaren Tag, als die Drachen flogen, zu uns gestoßen. Aber ihr seid alle willkommen! Mein Sippenname ist Knopf. Im Nest wurde ich Dreck genannt. Mein anderer Name – nun, ähem, darüber werden wir noch reden. Genau wie Goblingeschichten haben auch Goblinnamen ein Loch in der Mitte.«
    »Wir haben Hunger!« schrie eine rauhe Stimme. Einige andere nahmen den Ruf auf, doch im großen und ganzen wirkte die Menge geduldig und interessiert daran, was Knopf zu sagen hatte.
    »Und wir werden euch zu essen geben. Viele freundliche Leute haben Essen hierhergebracht, und es wird alles verteilt werden. Zunächst jedoch, weil so viele Neue hier sind, bitte ich darum, daß ihr euch meine Geschichte anhört. Dabei ist es in Wahrheit gar nicht meine Geschichte, nein, es ist nicht die Geschichte von Dreck aus dem Stamm der Knöpfe, auch wenn ich darin vorkomme, genau wie ihr darin vorkommt, ihr alle. Jawohl, wir kommen alle darin vor. Es ist nämlich die Geschichte von einem wunderschönen Land der Wälder und Felder und Flüsse. Die Ziegen, Kühe und Schafe weideten auf den sonnenwarmen Hügeln und streiften so weit umher, wie sie wollten – oder wenigstens so weit, ähem, wie ihre Hirten sie ließen. Am Abend trat der weiße Hirsch aus dem Wald, um den Mond aufgehen zu sehen. Es war Platz für alle da, Essen und Wohnung für alle, Feuer und Wasser und Erde und Himmel für alle. Kennt ihr dieses Land, dieses wunderbare Land? Elfien ward es genannt.«
    Ein paar Leute lachten, als wäre das die Pointe eines Witzes, aber Theo, bei dem das Geistkraut jetzt eine ziemlich starke Wirkung zeigte, war in einen wonnigen Traum abgeglitten, in dem er die von Knopf beschriebenen Bilder plastisch vor sich sah; es gefiel ihm nicht, daß jemand darüber lachte.
    »Ja, heute, wo die meisten Bäume hinter den Mauern der großen Adelshäuser stehen oder auf ihren Landsitzen in eingezäunten Gehegen für die Tiere, die unsere Fürsten zu ihrem Vergnügen jagen, da mag man kaum glauben, daß Elfien früher einmal zum großen Teil von Wald bedeckt war. Die meisten von euch werden sich noch daran erinnern, aber ihr anderen, die ihr zu jung dazu seid – stellt es euch vor! Stellt es euch nur einmal vor! Ein Eichhörnchen konnte sein Leben lang von Ast zu Ast, von Baum zu Baum springend ganz Elfien durchqueren, ohne einmal den Boden zu berühren. Bäume wie ein Meer! Bäume, älter als die Blumenfürsten oder die Gnome oder sogar die Goblins. Bäume, die die erste Sonne gesehen hatten, die schon alt waren, als die ersten Gebirge sich aufwölbten, Bäume, so breit, daß eine ganze Ortschaft, wie ihr sie an jeder Bahnstation findet, unter den Ästen von einem Zuflucht gefunden hätte, Bäume, so hoch, daß ihre Blätter die Wolken berührten und ihre Wurzeln in den Schuppen des Weltenwurms verankert waren. Ähem. Ist es da ein Wunder, daß das Elfenvolk, als es an jenem ersten Abend im langen Gras erstand, diese uralten Bäume mit Ehrfurcht betrachtete? Daß in den langen Zeiten, die sich anschlossen, die mit Kraft und Schönheit Ausgezeichneten sich Baumnamen gaben? Wo sind sie hin, diese uralten Baumfürsten und Baumfürstinnen? Wir kennen ihre Namen, denn wir leben in ihren angestammten Reichen, den Feldern von Fürst Eberesche dem Schöngelockten, von Fürstin Birke der Hohen und Schlanken, von Eiche und Erle und dem majestätischen Weide, allesamt herrlich anzusehen und so weise, daß es unser Vorstellungsvermögen übersteigt. Wo sind sie hin? Warum ist außer ihren Namen nichts von ihnen

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