Der Blumenkrieg
richtig lächeln. »Sie liebten sich. Sie waren Künstler. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich noch jemand an sie erinnert – schon damals wollten nur sehr wenige Leute Kunst sehen, die nicht von der Blumenelite abgesegnet war. Während der Blütenjahre waren sie unter den eher Neuerungsfreudigen eine Zeitlang in Mode, doch als der Blumenkrieg kam, verlor ich sie aus den Augen. Wo sie wohl sein mögen?« Er riß sich aus seinen Grübeleien. »Entschuldige bitte. Wo waren wir stehengeblieben?«
Theo zuckte die Achseln. »Ich habe dir von Eamonn Dowds Notizbuch erzählt. Es bricht ganz plötzlich ab. Sein letzter Eintrag klingt verzweifelt. Wahrscheinlich wegen der Sache mit deiner Schwester.«
»Dürfte ich das Buch irgendwann einmal sehen? Es könnte sein, daß ich Dinge entdecke, die sogar Junker Segge … Wuschel entgehen, da ich seinerzeit dabei war.«
»Klar. Du und Wuschel könnt es unter die Lupe nehmen. Also, ohne irgendwelche alten Wunden aufreißen zu wollen, aber was ist denn nun mit deiner Schwester passiert?«
Das dünne Gesicht des Elfs lief dunkel an beziehungsweise blaßgolden – fast genau der Ton seiner Haare. »Es ist eigentlich keine sehr überraschende Geschichte. Wir Primeln rühmen uns unserer Aufgeschlossenheit, und meine Schwester Erephine war von jeher eine Rebellin. Mutter und Vater sagten gern tolerante Sachen über Menschen? Na, dann wollte sie sich einen Menschenmann zum Geliebten nehmen, mal sehen, was sie davon hielten! Das war schon schlimm genug – meine Eltern sahen es höchst ungern, daß ihre Überzeugungen auf eine so harte Probe gestellt wurden –, aber Eamonn Dowd ging schließlich zu weit. Er entehrte meine Schwester und die Familie, obwohl die erste Entehrung weniger schlimm war als der letzte, krönende Schlag.«
»Was hat er getan? Hat er … hat er sie geschwängert?«
Primels zornige Miene verwandelte sich in Verwirrung, dann stieß er ein scharfes, bellendes Lachen aus. »Bach und Schatten, nein! Wir leben lange. Selbst ein menschlicher Geliebter ist eher etwas, wodurch man eine zweifelhafte Berühmtheit erlangt als Schande auf sich lädt, und ein Mischlingskind – nun, es genügt wohl, wenn ich sage, daß den Berichten nach in der alten Zeit ein volles Zehntel und mehr der Kinder Elfiens Halbmenschen waren. Kurzlebig, aber fruchtbar, dein Adoptivvolk. Nein, er überredete sie, ihn zu heiraten.«
»Heiraten … Das war die Entehrung?«
»Es ist eine Sache, mit einem Menschen zu schlafen oder gar ein halbmenschliches Kind zur Welt zu bringen – eine Frau kann schließlich in ihrem Leben Kinder von vielen Männern haben –, doch etwas völlig anderes ist es, wenn dieser Mensch sich in eine der ältesten Sippen hineindrängt. Durch die Heirat mit einer Tochter des Hauses Primel war dein Großonkel auf einmal Mitglied einer Institution, die fast so alt und ehrwürdig ist wie Elfien selbst. Das war eine Schande, vor der meine Eltern nicht einfach die Augen verschließen konnten.«
Theo schüttelte den Kopf. »Ich bitte um Nachsicht, aber für mich … für mich hört sich das nicht besonders furchtbar an. Nichts für ungut.«
»Ich kann mir vorstellen, daß das für einen wie dich, der unter Menschen aufgewachsen ist, wie du sagst, schwer zu verstehen ist. Aber hier bedeutet es eine grobe Beleidigung der Familie. Schlimmer noch, für eine Familie wie unsere bedeutet es eine Gefahr. Unsere Blutlinie und die Weitergabe der Kraft in der Familie besitzen für uns eine Wichtigkeit, die dir unbegreiflich sein mag …«
»Gut, aber trotzdem, wieso trifft die Schuld nur Dowd? War es nicht genauso ihre Schuld wie seine?«
Caradenus Primel schnaubte zornig, bemühte sich aber um einen gemäßigten Ton. »Sie hätte das nicht getan, wenn er sie nicht gedrängt hätte. Etwas dermaßen Schockierendes ist hier in der gesamten überlieferten Geschichte nur ein- oder zweimal vorgefallen, auch wenn es in der Menschenwelt viele Fälle dieser Art gab. Aber mit einer Tochter aus einer der berühmten Sieben Familien? Genausogut hätte er die Primel-Residenz in Brand stecken können. Nein, es war schlimmer, denn die Residenz hätte man neu bauen können, aber die Ehre kann nie wieder wahrhaft makellos werden.« Er zitterte. »Ich bitte um Verzeihung für meinen Zorn. Die Sache geht mir immer noch sehr nahe.«
»Das sehe ich. Und es tut mir leid, daß ich so begriffsstutzig bin«, sagte Theo. »Es geht mir gar nicht darum, meinem … Eamonn Dowd die Stange zu halten.
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