Der Blumenkrieg
seine Schuhe oder sonst was abmogelt.«
»Goblins mogeln nicht«, sagte Kleiderhaken mit finsterem Blick.
»Kurz für: Goblins mogeln nur, wenn jemand es nicht besser verdient hat, was? Könnte sein. Könnte sein.« Mamsell Zwick steckte sich eine Zigarre in den Mundwinkel, zündete sie mit einem ostentativen Fingerschnalzen an und tänzelte dann zum Zelt hinaus, wobei sie eine Rauchfahne hinterließ, die dick wie Melasse war. Kleiderhaken folgte ihr grummelnd.
»Die Puck versucht immer wieder, mich zu schockieren, aber ohne großen Erfolg«, sagte Primel, als die beiden fort waren, und lächelte beinahe. »Sie haben ein gutes Herz, eure Freunde.«
»Sie sind freundlich zu uns. Aber ich glaube, ich kenne sie noch nicht gut genug, um sie meine Freunde zu nennen. Ich weiß nicht einmal, ob ich dafür irgend jemand von euch gut genug kenne. Entschuldige, Wuschel, war nicht böse gemeint. Aber ich … ich komme wirklich nicht klar mit den Sitten, die hier herrschen.« Wie steht es mit Apfelgriebs? fragte er sich im stillen. Sie war dir eine bessere Freundin als die meisten, die du im Lauf der Jahre so genannt hast. Aber er wollte im Augenblick nicht an Apfelgriebs denken. »Apropos, können wir dir etwas anbieten? Viel gibt es, glaube ich, nicht, aber wir könnten noch eine Flasche von Mamsell Zwicks Löwenzahnwein irgendwo unter einer Decke haben.«
»Nein, danke.« Primel nahm in einer vergleichsweise freien Ecke Platz. Jede Bewegung, die der Elf machte, war elegant, und dennoch konnte er nicht verhehlen, daß ihm die enge und zugegebenermaßen nicht sehr wohlriechende Umgebung unbehaglich war. Theo hatte seine Zweifel, ob sich der Aufwand lohnte, bloß damit er etwas über seinen Großonkel erfuhr.
»Du hast also meinen Großonkel Eamonn tatsächlich gekannt?« fragte er. »Beziehungsweise den Mann, den ich für meinen Großonkel gehalten habe?«
»Möchtest du, daß ich gehe, Theo?« fragte Wuschel.
»Nein, bitte bleib da. Du hast schon einmal ein … unglückliches Mißverständnis zwischen Junker Primel und mir verhindert. Du bist so etwas wie mein Übersetzer für die Elfenwelt.«
Primel machte eine interessante Geste, er führte nämlich seine Handflächen zusammen, bis sie sich beinahe berührten. »Auch ich bin dir dafür dankbar, Junker Segge. Und vielleicht, Junker Vilmos, wärst du so gut, mich Primel zu nennen oder einfach Caradenus.«
Theo mußte lachen. »Entschuldigung. Ich lache nur, weil, wenn ich dich Caradenus nennen soll, dann mußt du dich zu einer anderen Anrede als ›Junker Vilmos‹ entschließen. Ja? Ich heiße Theo. So, und jetzt erzähle mir von deiner Bekanntschaft mit Eamonn Dowd.«
»Das ist schon eine ganze Weile her – zwischen den letzten beiden Kriegen. Ich habe ihn auf einem Blumenfest kennengelernt.«
»Wenn du sagst ›zwischen den letzten beiden Kriegen‹, dann vergiß nicht, daß ich in der Geschichte Elfiens nicht sehr firm bin. Zwischen welchen beiden Kriegen? Wie lange ist das her?«
»Zwischen dem letzten Riesenkrieg und dem jüngsten Blumenkrieg.« Primels Gesicht wurde hart. »Dem jüngsten vor diesem jetzt, sollte ich sagen – und möge dieser Mörder Nidrus Nieswurz jammernd und wehklagend in den Brunnen stürzen zur Strafe dafür, daß er abermals solches Leid über uns alle gebracht hat!«
»Ungefähr anderthalb bis zwei Jahrhunderte«, warf Wuschel ein. »Nach unserer Zeit.«
»Liebe Güte«, sagte Theo. »Was sind das, dreißig, vierzig Jahre in meiner Welt? Vergeht die Zeit hier vier- oder fünfmal langsamer?«
»Die Korrelation ist nicht immer so fest«, erinnerte ihn Wuschel.
»Wie dem auch sei«, meinte Primel, »es war in der Zeit, die bei uns die Blütenjahre heißt. Im Rückblick erscheint sie heute oft als ein goldenes Zeitalter, eine Ära des Enthusiasmus und aufregender Veränderungen, doch obwohl ich damals so viel jünger war, hätte ich dennoch ahnen können, daß das Leben nicht immer so einfach sein kann. Auch viele andere hätten das ahnen müssen, doch die meisten glaubten, was sie glauben wollten. Es lag eine rauschhafte Stimmung in der Luft. Die Leute waren erleichtert, denn auch wenn der König und die Königin im Krieg umgekommen waren, war doch die Stadt nicht gefallen, Elfien war nicht untergegangen, das Leben ging weiter – und darauf hätte vorher gewiß niemand gewettet. Das ist heute kaum zu glauben, aber du darfst nicht vergessen, daß sich damals niemand mehr an eine Zeit zurückerinnern konnte, in der Oberon und
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