Der Blumenkrieg
sich in eine Ecke hinter dem Tisch des Oberkellners, neben ein Terrarium mit blinden weißen Grottensalamandern, und hoffte, Poppi möge bald auftauchen. Alle Gäste, die zur Tür hereinkamen, beäugten ihn prüfend – nicht weil sie ihn erkannten, wie ihm nach dem ersten Schreck klar wurde, sondern weil sie sich fragten, ob er einer war, den man erkennen mußte. Es war einfach eines von diesen Lokalen, wo jedermann aus Prinzip alle anderen abcheckte.
Theo versuchte sich möglichst natürlich zu geben. Er drehte sich vom Eingang weg und betrachtete die Schieferwände, die dem Raum den Anschein verliehen, direkt in den Fels hineingehauen worden zu sein. Im Foyer waren ringsumher Figuren von Kobolden und diversen unterirdisch lebenden Tieren in die dunklen Oberflächen geritzt und dann leicht mit einem phosporeszierenden Anstrich überpinselt worden, so daß sie ein paar Zentimeter vor den Wänden in der Luft zu schweben schienen. Theo hatte keine Ahnung, ob sie rein dekorativ waren oder auf traditioneller Koboldvolkskunst basierten. Er wußte nicht einmal, ob es so etwas wie Koboldvolkskunst überhaupt gab, und wenn ja, ob sie ultracool war, halbwegs passabel und nur ein wenig angestaubt oder so geschmacklos wie Bilder von Stierkämpfen und kartenspielenden Hunden. Andererseits konnte natürlich auch ein Stierkampf auf schwarzem Samt im richtigen Kontext schon wieder cool sein …
Ich weiß einfach nicht, was hier was ist, im großen sowenig wie im kleinen. Ich sollte darauf achten, daß ich unter keinen Umständen so tue, als wäre ich jemand, der im Elfenland aufgewachsen ist …
»Theo?«
Sein Magen sackte ein wenig ab, als er sich umdrehte. Selbst in dem düsteren Licht sah sie nicht wie ein Feind aus, sondern wie ein Freund. Mindestens. »Hi. Danke, daß du gekommen bist.« Er stockte, wußte nicht so recht, wie er sich verhalten sollte, dann nahm er ihre Hand und hielt sie einen Moment. Echt smart machst du das, sagte er sich. Vielleicht könntest du ihr nach der Begrüßung eine kostenlose Probetube Bohnerwachs in die Hand drücken oder so was.
»Ich hätte nicht gedacht, daß du wirklich kommst.« Poppi vermied noch den direkten Blickkontakt. Sie war nur geringfügig feiner gekleidet als vorher an der Brücke, schwarzer Mantel, langer schwarzer Rock, schlichter grauer Pullover, und doch hatte ihre Garderobe etwas entschieden Bohemiennehaftes. Vielleicht waren es die flachen Sandalen oder das metallische Band um den Hals, das wie Silber aussah, aber in allen Flammenfarben funkelte. Theo kannte sich gut genug mit Frauen und ihrer Kleidung aus, um zu erkennen, daß sie eine angemessene Balance zu halten versuchte … aber wozwischen? Zwischen Zuneigung und Ablehnung? Zwischen dem Wunsch, gut auszusehen, und dem Bedürfnis, sich nicht offen anzubieten? Auch wenn es offensichtlich war, daß die Botschaften gemischt waren, wußte er doch nicht, welche Botschaften da gemischt wurden.
Nach einem kurzen verlegenen Schweigen sagte er: »Wollen wir uns setzen? Ich komme mir heute ein bißchen … auffällig vor.«
»Wer war das, der mich angerufen hat?« fragte sie, während sie von einem kleinen Kobold in einer Art Trachtenjacke mit Kapuze zu einem Tisch geführt wurden. »Ein sehr merkwürdiger Kerl.«
»Merkwürdiger, als du denkst. Das erzähle ich dir später.« Der Tisch stand an einer der hinteren Wände, nicht im direkten Schein des Feuers. Als er sich ein wenig entspannte, merkte er, daß er einen gewaltigen Hunger hatte. »Was gibt’s hier so? Ist das Essen gut?«
»Es ist hervorragend, allerdings war ich erst zweimal hier.« Sie schaute sich um. »Weißt du, mein Bruder wurde in einer Taverne ein kleines Stück weiter auf der Hauptstraße getötet.«
»O mein …! Poppi, wie schrecklich! Bist du sicher, daß du hier essen willst?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß, du hältst mich für ein Scheusal, aber wir haben uns niemals nahegestanden. Im Gegenteil, ich konnte ihn nicht ausstehen. Er war ein gemeiner, grausamer Kerl.« Sichtlich beklommen klappte sie die Speisekarte auf, deren Seiten weißlich schimmerten. »Was hättest du gern? Es ist fast alles auf Fungusbasis, aber sie machen erstaunliche Sachen damit.«
Pilz, rief er sich nach kurzem Stutzen ins Gedächtnis. Fungus heißt Pilz. Auch die chinesische Küche ist sehr fungusfreundlich. Dennoch wollte keine rechte Begeisterung aufkommen. »Bestell du für mich.« In das ätherische Licht von der Speisekarte getaucht sah ihr Gesicht aus
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