Der Blumenkrieg
(oder ihn nicht einfach aus Prinzip erst mal windelweich prügelten), konnte es dennoch sein, daß sie später sein Gesicht in den Abendnachrichten, oder was dem hier entsprach, sahen und sich dann erinnerten. Er durfte nicht riskieren, daß Parlamentsschützer über das Lager herfielen. Selbst wenn er bis dahin verschwunden war, würden Knopf und Primel und die übrigen wahrscheinlich im Kerker landen, und die Pläne des kleinen Goblins wären vereitelt.
Er mußte also wohl oder übel die Idee begraben, Poppi könnte ihm irgendwie dabei von Nutzen sein, Apfelgriebs zu befreien. Sie hier anzusprechen bedeutete ein zu großes Wagnis, und binnen kurzem würde sie wieder wegfahren. Er konnte schließlich schlecht bei ihr zu Hause klingeln und sagen: »Hallo, Herr Stechapfel, ich bin der Typ, den Sie gern foltern würden. Könnte Poppi zum Spielen rauskommen?«
Es sei denn …
Es war ein absurder Gedanke, aber im Elfenland auf der Flucht zu sein war nicht minder absurd, von Drachen und Goblins und dem ganzen anderen Irrsinn, der ihm passiert war, gar nicht zu reden. Er wandte sich der schlaksigen Gestalt neben ihm zu. »Stracki, du hast doch gesagt, du kennst Poppi, nicht wahr? Poppi Stechapfel?«
»Theo, was tust du?« Wuschel blickte besorgt. Aber Wuschel blickte immer besorgt.
»Ich stelle ihm eine Frage. Stracki? Hast du mich verstanden?«
Es war, als sähe man eine Scholle von einem Eisberg abbrechen und ins Meer stürzen, ein so quälend langsamer Vorgang, daß man sich nur zurücklehnen und warten konnte. Nach so etwas wie einer halben Minute blinzelte der lange Elf und sagte: »Poppi. Die ist nett. Ich mag ihre Stimme.«
»Weil du sie manchmal reden hörst, stimmt’s? Ich würde jetzt gern mit ihr reden. Kannst du das irgendwie zuwege bringen?« Er blickte in das lange, ratlose Gesicht, und ihm sank der Mut. Es war natürlich eine Schnapsidee. Die meisten von Strackis seltsamen Fähigkeiten schienen unwillkürlicher Art zu sein. Bloß weil er anscheinend imstande war, Gespräche in der Stechapfel-Residenz mitzuhören, mußte er noch lange nicht …
»Aber Theo«, sagte Stracki Nessel langsam. »Du hast doch gar keine Muschel.«
Scheiße. Er war einfach davon ausgegangen, daß Stracki ihn auf irgendeinem magischen Wege direkt mit Poppi verbinden konnte. Aber Elfenmagie schien viel mechanischer zu funktionieren, jedenfalls in dieser modernen Zeit. Natürlich hatte er keine Muschel.
»Ich kann schon mit ihr reden, denke ich«, fuhr Stracki fort. »Aber wie willst du mit ihr reden?«
»Ich weiß, ich weiß, war eine dumme Idee.« Er scharrte mit der Stiefelspitze im Sand. Sie stand gerade auf, wischte sich mit dem Handrücken die Stirn ab, blickte über das Fenn hinaus. Er fragte sich, was sie wohl dachte. »He, Moment mal«, sagte er, als ihm aufging, was der Elf gerade gesagt hatte. »Du kannst mit ihr reden?«
Stracki nickte. Wuschels Sorgenfalten vertieften sich und vermehrten sich um ein oder zwei. »Was in aller Bäume Namen hast du vor?«
Theo ignorierte den Querz. »Würdest du dann bitte mit ihr reden? Würdest du ihr etwas von mir ausrichten?«
»Ich kann’s versuchen, Theo. Aber mein Kopf … er tut etwas weh.«
»Ich weiß, und es tut mir leid. Ich mach’s kurz. Komm, probier mal, ob du sie erreichen kannst.«
Zu seiner Überraschung senkte Stracki sein langes Kinn auf die Brust und schloß die Augen, statt sich dem Laster zuzuwenden, auf dem Poppi und die anderen Frauen standen, doch dann begriff er, daß Stracki sehr viel besser hätte aufpassen müssen als sonst, um mitzubekommen, daß sie nur wenige Meter entfernt war. Er setzte an, es ihm zu sagen, doch da griff Poppi schon in die Tasche ihres Overalls. Sie zog einen schlanken Gegenstand heraus, in dem Theo den silbrigen Stab zu erkennen meinte, den sie am Bahnhof Sternenlicht benutzt hatte, und hielt ihn lauschend hoch.
»Hast du je zuvor mit ihr geredet, Stracki?« fragte Theo plötzlich.
Stracki begann schon, seine Worte zu wiederholen, dann schüttelte er den Kopf.
»Dann erklär ihr erst gar nicht, wer du bist. Sag ihr einfach, daß Theo sie sehen will – nein, daß er sich mit ihr treffen will. Sag ihr, du seist sein Freund und es sei wichtig, daß sie sich mit Theo trifft.«
Stracki sprach etwas ungefähr in dem Sinne in die Luft. Theo beobachtete Poppi. Er konnte aus der Entfernung ihr Mienenspiel nicht richtig erkennen, aber sie wandte sich von ihren Gefährtinnen ab und trat ein paar Schritte ans hintere Ende der
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