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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wir außen herum zum Ufer gehen statt geradewegs zur Brücke, kommen wir wahrscheinlich ins Lager, ohne allzuviel Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.« Wuschel runzelte die Stirn. »Aber es sind eine Menge Leute an diesem Ende des Lagers. Und sie teilen wirklich kostenlose Lebensmittel aus.«
    Die Goblins hatten ebenfalls mitbekommen, was an der Brücke vor sich ging, und marschierten darauf zu, um sich die Sache näher anzuschauen. Theo wollte nicht riskieren, von jemand Fremdem erkannt zu werden. Im Grunde wollte er nichts weiter als so schnell wie möglich ins Zelt, um sich dort die am wenigsten verschmutzte Decke übers Gesicht zu ziehen und eine Zeitlang sein hoffnungsloses Schicksal zu beklagen.
    Sie machten einen Bogen um die Brücke und das geschäftige Treiben dort, doch als sie über den breiten Damm vor dem Fluß stiegen, würde Theo auf eine der Blumenfrauen aufmerksam, die in einer Gruppe auf der Ladefläche eines Lastwagens stand und zusammen mit den anderen irgendwelche Säcke herunterreichte. Im ersten Moment war er sich nicht ganz sicher, ob es wirklich sie war: Sie war weitaus weniger modisch gekleidet als bei ihrer letzten Begegnung.
    »Mein G…« Er packte Wuschel am Arm. »Das ist Poppi.«
    »Wer?« Wuschel mußte Stracki loslassen, den er gestützt hatte. Der lange Elf schwankte wie ein Funkmast im Sturm, fing sich aber, bevor er vornüberkippte.
    »Poppi. Das Mädchen, das ich auf dem Weg in die Stadt kennengelernt habe.« Sie war gut zwanzig Meter entfernt, und über ihre rabenschwarzen Haare hatte sie ein Kopftuch gebunden, und dennoch war er sicher, daß er sich nicht irrte. Sie hatte einen schimmernden, erdfarbenen engen Overall an, der unter den Blumen vermutlich als Arbeitskleidung galt; mit ihrem Kopftuch glich sie einer idealisierten Rüstungsarbeiterin von einem Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg. Doch selbst in seiner Jammerstimmung mußte er zugeben, daß sie hinreißend aussah. »Poppi Stechapfel.«
    »Poppi Stech… D-du meinst, die Tochter des Ratsvorsitzenden?« Wuschel hörte sich an, als versuchte er, einen Igel hinunterzuschlucken.
    Theo blickte sie an, erfüllt von Abscheu vor dem, wofür sie stand, aber auch von einem überraschenden Verlangen. Der Name Stechapfel hatte ihm nicht viel gesagt, als er ihr seinerzeit das erste Mal begegnet war, nur der Kopf, nicht das Herz hatte begriffen, daß sie auf der Seite des Feindes stand, auch wenn sie persönlich unschuldig war. Jetzt fiel es ihm schwer, sie nicht mit dem hämischen Grinsen zu assoziieren, das Nieswurz zur Schau getragen hatte, als der Drache tödliches Feuer speiend auf die Narzissen-Residenz niedergegangen war.
    Und doch konnte er sie nicht anschauen, ohne das, was hätte sein können, nicht wenigstens ein klein wenig zu bedauern. Er erinnerte sich, wie sie sich an ihn gekuschelt hatte, warm und weich und vertrauensvoll …
    Und ihr Vater hat mitgewirkt. Tausende in der Narzissen-Residenz zu ermorden. Ein Bild der Unmengen von verkohlten Leichen in der Narzissenwabe stieg in ihm auf. Wie es schien, lag er jetzt mit sich selbst im Krieg. Selbst wenn sie keine Schuld trifft, gehört sie doch dazu, oder? Genau wie die adretten Fräuleins, die zu Hitlers Partys gingen, aber die Augen davor verschlossen, was wirklich geschah. Er kehrte ihr den Rücken zu und gab Wuschel mit einer Handbewegung zu verstehen, daß sie von ihm aus weitergehen konnten. Schließlich hat sie es ihrem mehr als schuldigen Papi zu verdanken, daß sie auf ihre Privatschule gehen und in schicken Clubs mit den andern reichen Blumenkids Pitzelstaub sniffen kann. Und Papis Partner Nieswurz hat meine Freundin in einem Glas auf seinem Schreibtisch stehen …
    O lieber Gott, natürlich, Apfelgriebs! Vielleicht kann sie mir helfen, Apfelgriebs da rauszuholen. »Wart mal«, sagte er und drehte sich wieder um. Wuschel seufzte müde, hielt Stracki aber am Hemdzipfel fest. Der lange junge Elf blieb abermals stehen, ohne eine Bemerkung zu machen oder Neugier zu zeigen, wie ein Spielzeug, dessen Batterie abgelaufen war.
    Theo sah sich die Szene genauer an. Nicht nur stand Poppi inmitten eines knappen Dutzends anderer Blumenfrauen, hinzu kam, daß selbst dann, wenn er es wagen wollte, sich durch die Masse der Flüchtlinge bis auf Hörweite an sie heranzudrängen, der Laster überdies von riesigen Ogern und fast genauso wehrhaft aussehenden Dooniefahrern umringt war. Auch wenn sie Nieswurz’ elfenländische Version von Aktenzeichen XY nicht gesehen hatten

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