Der Blumenkrieg
quälten, seit sie zum erstenmal ihre Gefühle deutlich gemacht hatte. In ihrer eigenen Gesellschaft mochte sie sein, was sie wollte, nach der Zeitrechnung seiner Welt hatte sie schon vor der Amtszeit von Teddy Roosevelt gelebt, mit anderen Worten, wenn hier jemand Minderjährige verführte, dann war sie es. Nach elfischen Maßstäben war Theo wahrscheinlich noch im Kindergarten oder gerade im ersten Schuljahr.
Poppis konzentrierte Arbeit an ihrer beider Verschmelzung war nicht umsonst gewesen: Sie hatte sich ihm so vollkommen angeformt, daß es sich beinahe anfühlte, als ob sie dabei wären, zusammenzuwachsen, und die kleinste Bewegung, die sie machte, berührte ihn an mehreren Stellen gleichzeitig. Er begann sich langsam zu fragen, ob das eine Glas Elfenwein ihn volltrunken gemacht hatte, denn sein Kopf war federleicht und sein restlicher Körper warm und angenehm kribblig. War es Liebe? Ein atemberaubender Gedanke. Es war mit Sicherheit Begehren, doch es kam ihm wie mehr vor.
Er löste sich ein klein wenig von ihr und legte das Gesicht seitlich an ihren Kopf. Ihre Haare rochen nach Vanille, nach Geißblatt, nach anderen Sachen, die er nicht benennen konnte, die er aber sein Leben lang weiterriechen wollte. Vor einer halben Stunde hatte er noch innerlich mit sich gestritten, ob er diesem Mädchen etwas vorspielte, doch jetzt sah es ihm so aus, als wäre er derjenige, der in Gefahr war, sich bis über beide Ohren zu verknallen. Konnte es sein, daß sie irgendeinen Zauber bei ihm angewandt hatte? Er glaubte es nicht – vielleicht am Anfang, als sie ihn kennengelernt hatte, aber nachdem sie allen Mut zusammengenommen und ihn ultimativ aufgefordert hatte, die Wahrheit zu sagen, egal ob er blieb oder ging?
Gott, ich glaube, es ist mir ernst. Ich glaube, es ist … mir ernst.
Vor lauter Selbst- und Weltvergessenheit, mit der er da an der Mauer lehnte und Poppi so fest an sich gedrückt hielt, daß er nicht mehr wußte, wo oben und unten war, und vieles andere auch nicht, dauerte es bestimmt eine halbe Minute, bis er die Gestalt am Ende der Straße bemerkte. Poppi atmete ihm ins Ohr, küßte es und knabberte gleichzeitig daran, und obwohl das mit Abstand das Betörendste und Angenehmste war, was ihm seit langem passiert war, wurde seine Aufmerksamkeit von den eigenartigen Bewegungen der fernen Gestalt abgelenkt, von der Art, wie sie aus einem Lichtkreis in den Schatten und wieder ins Licht taumelte. Sie trat gerade mit ruckenden Schritten in den Schein der nächsten Straßenlaterne ungefähr dreißig Meter von ihnen entfernt, als er sah, daß sie die Uniform eines Schutzmanns anhatte.
Plötzlich gefror ihm das Herz zu einem Eisklumpen in der Brust. Er stieß Poppi beinahe um, als er von der Wand wegtrat, dann packte er sie am Arm und zog sie so hastig mit sich davon, daß sie ins Stolpern geriet.
»Was ist los?«
»Da hinter uns. Der Polizist … der Schutzmann. Du kannst dich umschauen, nur geh um Gottes willen weiter!«
»Aber wir machen ihn mißtrauisch, wenn wir so davonstürzen!«
»Nur wenn er ein echter Schutzmann ist – und das glaube ich nicht. Ich habe dir doch von dem Dämon erzählt, der hinter mir her ist. Der letzte Körper, den er angenommen hat, war einer der Schutzleute in der Narzissen-Residenz. Geh schneller! Wenn wir um die Ecke sind, laufen wir.«
»Ich werde nicht vor irgendeinem … Nachtmahr davonlaufen, Theo. Ich habe einen Schutzzauber in meiner Handtasche …«
»Du verstehst nicht, Poppi. Dieser Kerl ist mehr als gefährlich. Sofern du nicht einen Zauber mit der Durchschlagskraft einer kleinen Atombombe hast, sollten wir zusehen, daß wir die Beine in die Hand nehmen. Läuft er?«
Diesmal klang sie ein wenig unsicherer. »Er … er geht ganz schnell. Er bewegt sich wirklich merkwürdig.«
»Ihm fehlen mittlerweile wahrscheinlich ein paar Teile. Wie bist du heute abend hergekommen? Bitte sag, mit dem Auto.«
»Ich habe mir Drusillas Flitzer geliehen. Es ist ein leidiges Geschäft, bei Nacht in Ostwasser eine Mietkutsche zu finden.«
»Wie weit steht er weg? Ach, egal, uns bleibt gar nichts anderes übrig. Ich glaube nicht, daß es den Kerl aufhalten wird, wenn wir in eine belebtere Gegend gehen. Das ist ihm alles völlig schnurz. Hier kommt die Ecke.« Er drückte fest ihre Hand. »Du mußt mich führen. Warte, bis wir außer Sicht sind … jetzt … lauf!«
Sie rannten zurück in Richtung des Restaurants. Ein paar ältere Elfen, die vor ihnen aus einem Hauseingang traten,
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