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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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flüchtiger Eindruck davon, wie es gewesen wäre, mit einem mürrischen alten Großonkel aufzuwachsen. »Denk nach, Junge! Wenn du ein Menschenkind wärest, das den Eltern entrissen und hierhergebracht wurde, wieso hättest du dann dein ganzes bisheriges Leben in der Menschenwelt verbracht? Wie sollte das gehen?«
    »Schon gut, schon gut, ich hab es nicht richtig durchdacht. Aber irgendwie hängt das doch mit mir zusammen, oder?«
    »Selbstverständlich tut es das. Du mußt es mich nur erzählen lassen, ohne mich zu unterbrechen.« Dowd brauchte eine Weile, um seine Gedanken zu ordnen. »Der Beseitiger schloß also einen Handel mit mir. Mit demselben Eid, mit dem er die Sicherheit des Kindes beschworen hatte, das ich stehlen sollte, versprach er mir, wenn ich ihm vor dem ersten Sonnenaufgang nach meiner Rückkehr ein Menschenkind besorgen würde, dann würde er mich trotz des Kleeblatteffekts nach Elfien zurückholen – eine Tat, die niemand außer dem Beseitiger überhaupt für möglich hielt. Sein Plan ging natürlich darüber hinaus, doch das wußte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
    Als ich dann in meiner letzten Nacht in Elfien sein Haus verließ, war ich zwar immer noch unglücklich, ach was, immer noch halb wahnsinnig vor Kummer, aber ich hatte auch ganz schwach die Hoffnung, vielleicht doch nicht für alle Zeit von meiner geliebten Erephine getrennt sein zu müssen. Ich kehrte in mein Haus in Vormittag zurück, um die wenigen Sachen zu packen, die ich mitnehmen wollte …«
    »Heißt das, man kann quasi einen kleinen Koffer mitnehmen, wenn man aus Elfien ausreist?«
    Wieder verhehlte Dowd seinen Unmut nicht. »War die Person, die in deine Welt kam, um dich zu holen, nackt? Hast du beim Übertritt nicht selbst mein Notizbuch und die Sachen, die du am Leib hattest, mitgebracht? Natürlich kann man etwas mitnehmen. Nicht alles bleibt dasselbe, was es in Elfien war, versteht sich – die Sagen davon, was mit Elfengold passiert, sind so verbreitet, daß selbst deine verblödete Fernsehgeneration davon gehört haben müßte –, aber ich durfte auf jeden Fall ein paar Andenken mitnehmen.« Er beruhigte sich etwas, doch der Ton blieb eisig. »So, wo war ich stehengeblieben? Ah, ja. Ich ging also nach Hause, um zu packen. Ich hatte meinen Teufelspakt mit dem Beseitiger geschlossen. Ich würde ihm ein Kind geben, ein Menschenkind, und er würde mir dafür helfen, heimlich zurück nach Elfien zu kommen.«
    »Trotzdem ist es eine grauenhafte Tat«, sagte Theo, obwohl er sich fest vorgenommen hatte, ihn nicht noch einmal zu unterbrechen.
    »Was?«
    »Ein Kind zu stehlen.«
    »Auch wenn man das Versprechen erhält, daß das Kind als Mitglied einer der hohen Familien aufwachsen wird? Daß es ihm an nichts fehlen wird?«
    »Das ist gut und schön für das Kind, aber was ist mit den Eltern, seinen leiblichen Eltern? Sie werden über den Verlust ihres Babys im Leben nicht hinwegkommen.«
    Eine ganze Weile verging. Als Dowd schließlich antwortete, war zu Theos Überraschung der Ärger aus seiner Stimme verschwunden, und sie klang nur noch düster und leer. »Natürlich. Natürlich. Und ich wußte das. Genauso, wie ich wußte, daß ich in so kurzer Zeit kaum eine Chance hatte, ein Kind zu finden, das ich mit einer solchen Tat aus schlimmen Verhältnissen retten konnte, sei es, daß die Eltern es brutal mißhandelten, sei es, daß sie Alkoholiker oder Drogensüchtige waren. Ich konnte nicht darauf hoffen, mit gutem Gewissen ein Kind zu entführen, bei dem ich mir sagen konnte, daß die Eltern es verdient hatten. Während ich mich also rüstete, Neu-Erewhon zu verlassen, saß ich in einer schrecklichen Zwickmühle. Wenn der Beseitiger sich irrte oder mich anlog, würde ich meine geliebte Erephine nie mehr wiedersehen. Wenn er die Wahrheit sagte, würde ich das, was ich verloren hatte, nur dadurch wiedererlangen, daß ich jemand anders einen furchtbaren Verlust zufügte.«
    Du hättest dich nicht darauf einlassen dürfen, dachte Theo, aber sprach es nicht aus. Es gibt Pakte, die man einfach nicht schließen darf. Trotzdem empfand er so etwas wie Mitleid mit der abstoßenden Erscheinung, die einmal Eamonn Dowd gewesen war. Er war selbst ein paarmal heftig von der Liebe gebeutelt worden, jedenfalls heftig genug, um sich in völlig idiotische Sachen zu verrennen. Er hatte drei bitterkalte Nächte hintereinander in seinem Wagen vor dem Haus eines Mädchens geschlafen, das ihm den Laufpaß gegeben hatte, hatte sie mit masochistischer

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